Autorenname: Zekiye

Presse

FluxFM: Live-Interview mit Martha

„SWANS organisiert Seminare für hochqualifizierte junge Frauen mit Migrationsgeschichte und Women of Color. Ziel ist es, den Einstieg in einen Beruf mit den entsprechenden Kompetenzen und Qualifikationen zu unterstützen. Gründerin Martha ist heute bei uns.“ Reinhören

Presse

Schwäbische Zeitung: Häflerin kämpft gegen Diskriminierung

„Gut qualifizierte Frauen mit Migrationshintergrund werden bei der Stellenvergabe benachteiligt“, sagt Martha Dudzinski. Gegen diese Ungerechtigkeit kämpft sie mit ihrer ehrenamtlichen Initiative SWANS. Diese ist für den Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises 2018 nominiert. Lisa Flemming sprach mit ihr über Vorurteile und fehlende Aufstiegschancen.

Seminarberichte

Menschenrechte, Tratsch und Football

Weltenretter oder Neokolonialisten? Die Referentinnen beim SWANS Seminar „Jobeinstieg NGOs“ liefern ehrliche Einschätzungen und Einblicke über das Arbeitsleben in Nichtregierungsorganisationen. Die 19 Teilnehmerinnen bekommen nicht nur die Chance, aus erster Hand alles über die attraktivsten Arbeitgeber im Non-Profi-Sektor zu erfahren, sondern auch die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen – und sich zwischendrin bei einer Runde American Football nochmal ganz anders kennenzulernen… An kritischen Fragen fehlt es zu keinem Moment beim Seminar: Wie viel kann man in einer NGO bewegen? Kann ich von einem NGO-Gehalt leben? Wie divers sind die Arbeitgeber im Non-Profit-Sektor? Los geht es am Freitagnachmittag mit Athena Leotsakou, Personalreferentin beim Generalsekretariat vom Deutschen Roten Kreuz. Sie erzählt von der Verbandsstruktur des DRK, vom Unterschied zum Internationalen Kommittee des Roten Kreuzes in Genf und dass die oberste Regel beim Netzwerken ist: „Zufälle muss man planen!“ Nach einem kurzen Burrito-Zwischenstop fahren die Schwäne raus nach Marzahn: Der SWANS Programmpunkt „Nur was für Männer?“ steht an: American Football bei herbstlichem Nieselwetter! Doch sie alle schlagen sich tapfer, laufen Runden um das Feld, werfen sich den Football zu und spielen ein paar Runden kontaktlos Football. Spätabends fallen sie erschöpft in ihre Betten – sie wissen noch nicht, dass der nächste Tag noch länger werden wird… Samstagvormittag geht es direkt intensiv los: Michaela Orizu von Reporter ohne Grenzen und Dinah Schmechel von GoFundMe erzählen, welche verschiedenen Möglichkeiten es gibt, im Weltverbessererbereich zu arbeiten – neben dem Non-Profit-Sektor auch soziale Unternehmen. In einer überaus empowernden Runde diskutieren die Teilnehmerinnen, was sie antreibt, was sie sich von einem Arbeitgeber erwarten und über die Herausforderungen, die auf sie zukommen. Nach einer kleine Mittagspause geht es dann ans Eingemachte: Beim Bewerbungstraining fährt Referentin Dorit Lehrack alle Geschütze auf: Die Teilnehmerinnen müssen Bewerbungen schreiben und Bewerbungsgespräche führen. Sie bekommen einen guten Einblick, wie etablierte Strukturen auf Kandidatinnen wie sie reagieren. Doch nach dem anstrengenden Nachmittag ist der Tag noch lange nicht zu Ende: Beim Netzwerkdinner treffen sie beruflich erfolgreiche Frauen mit Zuwanderungsgeschichte und Women of Color, die bei verschiedenen NGOs und UNO-Institutionen arbeiten. Unsere Vorbilder erzählen den Teilnehmerinnen von ihrem eigenen Werdegang und geben ihnen Tipps, worauf es beim Berufseinstieg ankommt. Sie tauschen sich aus und erfahren auch von sexistischen und rassistischen Erfahrungen im Berufsalltag: „Nach meiner Entsendung in den Tschad sagte ein schweizer Kollege, ich sähe zu schwarz aus. Ich fragte nur ‚Zu schwarz wofür? Für Afrika?‘ „ Das Programm am Sonntag wird präsentiert vom Balkan: Zunächst erzählt Elida Vikić von Human Rights Watch von den Vor- und Nachteilen, bei einer NGO zu arbeiten. Danach gibt Manuela Barišić Einblicke in ihre Arbeit bei der Bertelsmann Stiftung und wie sich Unternehmensstiftungen von klassischen Nichtregierungsorganisationen unterscheiden. Anschließend diskutieren die Teilnehmerinnen verschiedene Strategien, wie sie auf diskriminierende Fragen in Bewerbungssituationen reagieren würden. Zur Abschlussrunde sind sich die Teilnehmerinnen einig – sie freuen sich, Einblicke in die vielfältigen Möglichkeiten gewonnen zu haben, im Non-Profit und im sozialen Sektor zu arbeiten. Sie wissen aber auch, dass sie vielerorts veraltete Strukturen erwarten, in denen Frauen unterrepräsentiert sind – vor allem Frauen mit Zuwanderungsgeschichte und Women of Color. Trotzdem sie sind auch ermutigt: Sie haben spannende und engagierte Teilnehmerinnen kennengelernt und sich von ihnen und den Damen beim Netzwerkdinner ermutigen und inspirieren lassen. Mit viel neuem Wissen und einem spannenden Netzwerk im Rücken machen sie sich auf den Heimweg. Bis zum nächsten Mal! Mit freundlicher Unterstützung von der Robert Bosch Stiftung. Text und Fotos: Martha Dudzinski Seminarberichte

Vorbilder

Nari Kahle: „Für mich war es normal, zwischen den Kulturen zu sein – aber nicht immer leicht.“

Dr. Nari Kahle leitet das Thema soziale Nachhaltigkeit und das xStarters Programm und Team bei Volkswagen. Im Rahmen des Programms fördert Volkswagen Digitalkompetenzen von jungen Menschen im Alter von 14 bis 19 Jahren zum Thema Soziale Innovation. Im SWANS Interview erzählt sie, wie wichtig ihr Internationalität ist. Sie selbst hat unter anderem in Bonn, Seoul, Harvard (USA) und Cambridge (UK) studiert. Das Interview führte Maycaa Hannon. Dr. Kahle: Meine Mutter kommt aus Korea, mein Vater aus Deutschland. Ich bin in Deutschland mit Einflüssen aus beiden Kulturen und Sprachen aufgewachsen. Für mich war es daher normal, zwischen den Kulturen zu sein – aber nicht immer leicht. Insbesondere in Momenten, an denen ich mir gewünscht hätte, nicht auf Grund der sichtbaren Einflüsse herauszustechen. Ich empfand mich nicht anders als meine Mitschülerinnen und Mitschüler. Dann wiederum war es spannend, Teil beider Kulturen zu sein – beispielsweise, als ich dem koreanischen Präsidenten bei einem Staatsbesuch in Bonn die Blumen überreichen durfte oder wenn ich meine Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen zu Fans der wahnsinnig tollen koreanischen Küche mache und sie nicht genug davon bekommen. SWANS: Wie können wir uns deine Tätigkeit bei Volkswagen vorstellen? Dr. Kahle: Beruflich verantworte ich bei Volkswagen das Thema soziale Nachhaltigkeit und leite unter anderem das xStarters Programm. xStarters bietet jungen Menschen Knowhow zur Entwicklung neuer Ideen, um diese zu sinnvollen Beiträgen für unsere Zukunft zu motivieren. Zum Programm gehören eine xStarters Roadtour durch einige deutsche Schulen, die xStarters Challenge per App für junge Social Makers, sowie ein eigener inspirierender Blog, um für soziale Themen und gesellschaftliche Problemstellungen zu sensibilisieren. Die Leitung eines solchen Programms ist für mich eine tolle Aufgabe, weil wir die Möglichkeiten des Konzerns für etwas sehr Wichtiges einsetzen können: nämlich jungen Menschen digitale Fähigkeiten zu vermitteln und gleichzeitig für soziale Themen zu begeistern – unabhängig von Bildungsstand und Herkunft. Wir arbeiten als eine Art Start-Up in dem großen Konzern, mit allen Vorteilen, aber auch Herausforderungen. Das Ganze mit einem phantastischen Team und Partnern, die alle für dieses Thema brennen und etwas Gutes bewirken möchten. SWANS: Wie war dein bisheriger Werdegang? Die Uni-Erfahrungen, den Berufseinstieg – und wie bist du zu deinem jetzigen Job gekommen? Dr. Kahle: Internationalität war für mich in meinem Umfeld nichts Besonderes. Als ich 17 war, ging ich mithilfe eines Vollstipendiums für ein Jahr in ein Internat nach New York und habe mich in all der kulturellen Vielfalt extrem wohl gefühlt. Besonders angenehm war die Tatsache, dass ich auf die Frage, woher ich denn komme einfach mit Deutschland antworten konnte, was meist mit einem „that’s great“ kommentiert wurde, anstelle der sonst eher üblichen Fragen, woher ich denn „wirklich“ komme, was denn meine „echten“ Wurzeln sind oder warum ich „nicht wirklich deutsch“ aussehe. Auch später, während des Studiums, war es mir wichtig, einen Teil der Zeit in der koreanischen Hauptstadt Seoul zu verbringen, um mein Koreanisch zu verbessern und die spannende Stadt zu erleben. Daneben waren aber auch Boston in den USA oder Cambridge in England Stationen, die mir sehr wichtig waren und an denen ich mich immer sehr wohl gefühlt habe. Nach der Promotion eingestiegen bin ich erst in eine Beratungsgesellschaft der Deutschen Telekom Gruppe und habe mich dort vielen Themen gewidmet, die mir auch heute noch besonders wichtig sind: Soziale Verantwortung, Digitalisierung, Innovationen und Unternehmenskultur sind Themen, denen ich nach wie vor treu geblieben bin. Im Anschluss wollte ich eigentlich meine Themen bei einem Technologieunternehmen weiter voranbringen und hatte dort ein spannendes Angebot vorliegen. Ein damaliger Beratungskunde wollte mich allerdings gerne in den Volkswagen Konzern abwerben. Ich habe daher die Vorstellungsgespräche nur ihm zuliebe wahrgenommen und ihm das auch so kommuniziert. Allerdings hat mir mein damals zukünftiger Chef bei Volkswagen so imponiert, dass ich dann diese Gelegenheit ergriffen und mich recht kurzfristig umentschieden habe. SWANS: Wer hat immer an dich geglaubt? Wer hat dich unterschätzt? Dr. Kahle: Mein Mentor aus damaliger und heutiger Zeit ist für mich eine sehr wichtige Person, die mir in einigen Situationen doch mehr zugetraut hat als ich mir selber in diesem Moment. Mein erster Vorgesetzter bei Volkswagen ist ebenfalls ein toller und für mich sehr wichtiger Mensch, der mich immer gefördert und mir viel Vertrauen zu allen wichtigen und sehr vertraulichen Unternehmensthemen geschenkt hat. Nicht zuletzt hat ganz maßgeblich mein bester Freund seit meiner Kindheit, der mittlerweile mein Mann ist, mich immer unterstützt, jede Herausforderung mit mir besprochen und mich immer mit einem guten Blick darauf gestärkt. SWANS: Wie stehst du zur Quotendiskussion? Dr. Kahle: Ich wünschte mir, dass es die Frauen-Quote nicht geben müsste. Schließlich müsste Gleichberechtigung schon lange eine Selbstverständlichkeit sein. Solange wir aber feststellen, dass es ein starkes Ungleichgewicht gibt, scheint es aber Justierungsbedarf zu geben. Für mich ist die Quote daher ein temporäres und leider noch notwendiges Tool, bis wir deutlich mehr weibliche Führungskräfte und Vorbilder in Deutschland haben als noch heute. SWANS: Welchen Tipp gibst du an junge Studentinnen bzw. Absolventinnen? Dr. Kahle: Wir leben heutzutage in einer deutlich globaleren, bunteren, internationaleren und heterogeneren Welt als noch vor einiger Zeit. Es ist daher unbedingt notwendig, dass wir uns die Schönheit dieser Vielseitigkeit bewusstmachen. Dass wir stolz darauf sind, zu diesem vielfältigen Mosaik beitragen zu können und uns nicht in ein vorgegebenes Korsett zwängen lassen. Dass wir uns nicht vermitteln lassen, dass wir nicht in den Standard passen und dass wir die Andersartigkeit von uns und von unseren Mitmenschen schätzen. Denn damit gewinnen wir alle, egal von welcher Herkunft. SWANS: Danke für das Gespräch!

Vorbilder

Aminata Touré: „Natürlich werden einem Steine in den Weg gelegt!“

Aminata Touré sitzt für die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein. Die 26-Jährige hat Politikwissenschaft und Französische Philologie in Kiel und Madrid studiert und hat bei einer Bundestagsabgeordneten in Berlin gearbeitet. Im SWANS-Interview erzählt sie, wie ihre Kindheitserfahrungen ihren Werdegang geprägt haben, wie sie sich als Kind selbst Vorbilder suchen musste und wie berufstätige Frauen wie sie schon heute Vorbilder für die nächste Generation sind. Das Interview führte Maycaa Hannon. SWANS: Aminata Touré, wie würden Sie Ihren Lebensweg beschreiben? Touré: Vor mehr als 25 Jahren floh meine Familie nach dem Putsch in Mali nach Deutschland, wo ich 1992 in Neumünster auf die Welt kam. Wir hatten ganz lange keinen sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland und haben dadurch während meiner Kindheit in verschiedenen Asylbewerberheimen gewohnt. Seit Juni 2017 bin ich Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages und setze mich verstärkt ein für Themen wie Flucht und Migration, Frauen, Kinder- und Jugendpolitik und Verbraucher*innenschutz. Mir ist aufgefallen, dass ich viele der Probleme und Themen von Geflüchteten und Neuankömmlingen in Deutschland aus meiner eigenen Kindheit kenne. So hab ich gemerkt, dass ich einen bestimmten Anschluss habe und mich für diese Leute einsetzen möchte. Nachdem ich mir mehrere Parteien angeschaut habe, habe ich mich dafür entschieden, bei den Grünen mitzumachen. Also habe ich mich dort engagiert und neben meiner Bachelorarbeit im deutschen Bundestag als wissenschaftliche Mitarbeiterin für eine Abgeordnete gearbeitet. Dort konnte ich den Politikbetrieb von ganz Nahem mitverfolgen, so dass ich dadurch die Gewissheit hatte, dass ich selber aktiv in der Politik mitarbeiten will. Im Anschluss habe ich dann für den Landtag kandidiert. SWANS: Wenn Sie Ihre Einstiegsphase nochmal reflektieren, wer hat Sie damals unterschätzt, wer besonders an Sie geglaubt? Touré: Ich hatte beides! Ich glaube auch, dass das viele Frauen gemeinsam haben. Die Community rund um Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, als auch Women of Color sind besonders stark betroffen. Man wird in der Regel häufig unterschätzt, aber mich hat das nicht abgehalten – da muss ich meine Mutter an dieser Stelle besonders hervorheben. Denn sie hat sowohl mich, als auch meine Schwestern mit dem Glauben erzogen: Es gibt nichts, was wir nicht können. Aber es war uns auch klar, dass wir uns manchmal doppelt so sehr anstrengen müssen, um etwas zu erreichen – und das, obwohl wir schon sehr qualifiziert sind und genauso hart gearbeitet haben wie andere. Ich habe die Worte meiner Mutter sehr verinnerlicht und versuche, mich da immer daran zu erinnern. Dadurch habe ich nicht das Gefühl, dass es Sachen gibt, die ich nicht machen kann oder darf. Natürlich werden einem Steine in den Weg gelegt, aber umso mehr zählt dann die Einstellung und der Wille und Unterstützungsstrukturen. SWANS: Welche Tipps können Sie Frauen mit Zuwanderungsgeschichte zum Thema Berufseinstieg geben ? Touré: Was helfen kann, ist einen Raum zu haben, in dem man sich austauschen kann. Viele der Situationen, in denen wir uns immer wieder aufs Neue befinden, passieren nicht nur uns. Natürlich sollte man sich selbst und seine Situation analysieren und schauen, wie man sich weiter entwickeln kann. Aber viele der Themen, die uns Frauen, gerade mit Zuwanderungsgeschichte, betreffen, sind keine Einzelfälle. Es kann also sehr hilfreich sein, diese Situationen zu teilen und zu erkennen, dass es sich manchmal auch um Strukturen handelt, die gegen einen arbeiten. Es hilft, sich da gegenseitig zu empowern und zu unterstützen – besonders, wenn man eine Person findet, die das nachvollziehen kann oder auch erlebt hat. Es ist wichtig, sich auf die Hindernisse einzustellen, aber umso wichtiger ist, dass man sich im Klaren ist, was man weiß und was man kann. Unabhängig von den Hindernissen sollte man dann genau dafür kämpfen. Ich unterstreiche gerne, dass es auch anstrengend sein wird, aber es lohnt sich dafür fast immer. Gerade Frauen in der zweiten Generation sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie automatisch Vorbilder sein werden für kleine Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte. Viele Hindernisse können wir ihnen aus dem Weg räumen, so dass sie hoffentlich nicht dieselben Probleme haben werden. Aber es muss uns auch klar sein, dass diese kleinen Mädchen sehr genau und bewusst zu unseren Entscheidungen und Erlebnissen hochschauen. Das hat mir sehr gefehlt in Deutschland, als ich noch klein war. Ich habe mich sehr nach einer Vorbildfunktion im öffentlichen Raum gesehnt. Die Inspiration habe ich mir dann manchmal aus dem Ausland geholt, in dem ich mir zum Beispiel Schwarze Frauen aus den USA zum Vorbild genommen habe. SWANS: Wie stehen Sie zur Frauenquoten-Diskussion in Deutschland? Touré: Ich habe mich für eine Partei entschieden, in der wir uns sehr streng an die Quote halten. Es gibt laute Stimmen in der Politik, die immer wieder behaupten, dass wir gar keine Quote brauchen, dass es ein natürlicher Prozess bleiben sollte. Ich persönlich glaube nicht daran, dass alt eingewachsene Strukturen von alleine aufbrechen. Es ist nicht so, wie es gerne dargestellt wird, dass Frauen nicht kandidieren wollen. Ihnen werden in männerdominierten Bereichen einfach nicht dieselben Chancen angeboten wie den Männern. Dazu müssen sie gewillt sein, in diesem Umfeld an Konkurrenzkämpfen teilzunehmen. Deswegen müssen die vorhandenen Strukturen erkannt und durchbrochen werden. Ich glaube nicht daran, dass die Freiwilligkeit, auf die sich diese lauten Stimmen berufen, diese Strukturen so effektiv aufbricht. Für uns bei den Grünen haben wir den Anspruch, ein Parlament zu haben, was auch die Bevölkerung in all ihren Gruppierungen abbildet. Meiner Meinung nach fehlen nicht nur Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, es fehlt auch die adäquate Repräsentanz für Menschen mit Behinderung oder die unterschiedlichen Bildungsstufen der Gesellschaft, junge Menschen und viele weitere Gruppen. Man muss sich fragen: Wer ändert die Regeln der Gesellschaft? Diese Entscheidungen finden in Parlamenten statt, deshalb müssen dort mehr Frauen vertreten sein. Für Themen wie die Frauenquote muss man kämpfen, denn es hat sich jahrelang nichts getan und es ist nicht davon auszugehen, dass es sich von alleine ändern wird. Das beste Beispiel ist dabei das Frauenwahlrecht: Es wurde erst eingeführt, nachdem sich viele dafür eingesetzt und demonstriert hatten. Heute feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht, da ist es inzwischen auch undenkbar, dass es überhaupt notwendig war, sich dafür einzusetzen. Damals kam aber niemand auf den Gedanken,

Auszeichnungen, News

Kanzlerin Merkel ehrt SWANS!

Was für ein Tag für SWANS! Als eine von 25 ehrenamtlichen Initiativen waren wir in der Bundesauswahl des Startsocial-Wettbewerbs zur großen Feier im Kanzleramt eingeladen! Es war wahnsinnig spannend, alte Bekannte wiederzusehen und neue Initiativen kennen zu lernen und dabei zuzusehen, wie großartiges Engagement gewürdigt und belohnt wird. Was für ein Abenteuer, das nur noch dadurch gekrönt werden konnte, dass Kanzlerin Merkel persönlich uns unsere Urkunde als Mitglieder der Bundesauswahl überreicht hat. So ein aufregender Tag für uns alle, und besonders für Martha und Mari, die die Urkunde im Namen von SWANS entgegen genommen haben – in Begleitung unserer wunderbaren Coaches Julia Mohring und Nicolas Boldt, deren großartige Unterstützung diesen Erfolg erst möglich gemacht hat.

Vorbilder

Sabrina Spielberger:„Ich habe mich schon während des Studiums in männerdominierten Bereichen bewegt“

abrina Spielberger ist Geschäftsführerin von digidip. Mit dem Start-Up führt sie in über 40 Ländern Onlinehändler mit Webseitenbetreibern zusammen. Bevor sie mit 28 Jahren digidip gegründet hat, war sie selbst Modebloggerin. Im SWANS Interview erzählt sie von ihrer Zeit als „die Exotische“ auf dem Gymnasium, von der harten Schule der Kaltakquise und warum sie überzeugt ist, dass die Quote kommen muss. Das Gespräch führte Maycaa Hannon. SWANS: Frau Spielberger, wie haben Sie Ihre Kindheit erlebt? Spielberger: Meine Eltern sind Ende der 1970er aus Kabul, Afghanistan, nach Deutschland geflohen. Das war zu Zeiten der sowjetischen Intervention. Damals hatten sie schon zwei Kinder, meinen Bruder und meine Schwester, beide gerade mal zwei, bzw. ein Jahr alt. Ich bin im Saarland geboren, wir sind aber in meinem ersten Lebensjahr nach München gezogen und so bin ich in Bayern aufgewachsen. Da wir eher in einer sozial schwachen Gegend in München gewohnt haben, kann ich nicht sagen, dass ich im Kindergarten und in der Grundschule die einzige mit dunklen Haaren war. Das war erst der Fall, als ich dann auf das Gymnasium in einem anderen Bezirk gekommen bin. Zwischenmenschlich war das nie von Nachteil, ich war dann zwar die Exotische mit den dunklen großen Augen, die am Anfang vielleicht skeptisch beäugt wurde. Aber da ich nicht schüchtern war, sondern ganz im Gegenteil, immer auf Leute zugegangen bin, hatte ich nie Probleme, Freundschaften zu schließen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich selbst nie als „Ausländerin“ gesehen und mich daher auch nie wie eine Minderheit verhalten habe. SWANS: Ist das Problem nicht weniger die Selbstwahrnehmung, sondern die Fremdwahrnehmung als „Ausländerin“? Wie verhält man sich wie eine Minderheit? Spielberger: Damit meine ich, dass ich nie in einen Raum gegangen bin und direkt nach Leuten geschaut habe, zu denen ich hingehören könnte. Andere haben das so gemacht und haben sich damit „gruppiert“. Ich habe mich dazugesellt, wo ich wollte und nicht, wo ich „besser hingepasst“ hätte. Hätte ich mich aufgrund meiner Herkunft oder meines Geschlechts zurückhaltend verhalten, würde ich mich heute schuldig dafür fühlen und wäre heute nicht da, wo ich jetzt bin. SWANS: Wer hat immer an Sie geglaubt? Wer hat Sie unterschätzt? Spielberger: Wer früher immer an mich geglaubt hat, war definitiv mein Vater. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er, seit ich klein war, immer die Person war, mit der ich meine Erfolge als Allererstes geteilt habe. Das lag wohl daran, dass er diese immer am lautesten mit mir gefeiert hat. Ich weiß noch, als ich mit 20 Jahren im Rahmen meines Jobs in einer IT-Redaktion vor dem Studium, Co-Autorin eines Buchs über UMTS sein durfte. Er hat extrem stolz das Buch mit meinem gedruckten Namen gemustert und stand von da an hinter all meinen Entscheidungen für meine Zukunft. Unterschätzt habe ich mich trotz all dem selbst immer. Anfangs stand ich mir selbst im Weg, dachte immer „Was bringt das, ein anderer kann es doch sowieso besser“ obwohl es gar nicht darum geht, die Beste zu sein, sondern einfach nur darum, etwas auszuprobieren, bis man das gefunden hat, was einem gefällt. SWANS: Hat Sie jemand besonders gepusht oder es Ihnen schwer gemacht? Spielberger: Gepusht haben mich früher immer meine Geschwister, vor allem meine ältere Schwester, der es immer wichtig war, dass wir das Beste aus uns und unserer Zeit machen. Sie hat immer fest darauf bestanden, dass meine kleine Schwester und ich studieren und andere Länder kennenlernen, immer tolerant bleiben und selbstständig denken. Ich habe auch einen älteren Bruder, der jeden Erfolg feiert und uns immer unterstützt, aber die Frauen in meiner Familie sind in der Überzahl. Generell besteht meine ganze Familie aus extrem starken Frauen und gebildeten, toleranten Männern, die hinter diesen Frauen stehen und sie immer unterstützen. Das kommt mir heute extrem zugute und es bestärkt mich jeden Tag, zu sehen, dass solche inspirierenden Frauen mit einer offenen Mentalität in unserer Gesellschaft immer mehr in den Vordergrund rücken. SWANS: Wo war es für Sie besonders schwer/einfach? Spielberger: Ehrlich gesagt war ich froh, Schule und Studium beendet zu haben, weil ich endlich arbeiten wollte. Spätestens nach meinem ersten Praktikum bin ich vor Ehrgeiz fast geplatzt, ich habe einfach viel besser in die Praxis als in die Theorie gepasst. Das galt aber auch schon für meine Nebenjobs während Schule und Studium: Egal ob im Einkaufszentrum am Wochenende oder im Sonnenstudio unter der Woche nach der Schule, damit ich mir den Führerschein endlich leisten konnte. Ich habe jeden Job mit absoluter Hingabe und Perfektion ausgeführt, weil es mir immer wichtig war, dass die Kunden und meine Vorgesetzten meine Leistung schnell zu schätzen wussten. SWANS: Wie stehen Sie zur Quotendiskussion? Spielberger: Es ist grundsätzlich ein Armutszeugnis, dass man heute über die Quote überhaupt noch sprechen muss, nicht nur in unserem Land. Ich hoffe, dass es irgendwann Standard ist, dass es mehr Frauen in Führungspositionen gibt. Dasselbe gilt aber noch mehr für Frauen mit Migrationshintergrund. Spätestens unsere Generation hat längst bewiesen, dass wir auch smarte Frauen unter uns haben, deren Eltern ihre erste Heimat aufgegeben haben, damit ihre Kinder in ihrer neuen, zweiten Heimat eine bessere Chance haben. Genau dafür ist die Quote, gerade in der derzeitigen Stimmung im Land wichtig: Damit es endlich öffentlich und für alle sichtbar ist und Vorbilder geschaffen werden, welche die jüngeren Generationen dringend brauchen. SWANS: Welche Rassismus/Sexismus-Erfahrungen haben Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn gemacht? Spielberger: Wenn es solch eine Diskriminierung während der Gründung von digidip gegeben hat, dann habe ich sie bestimmt auf andere Faktoren geschoben, zum Beispiel, dass es ein Start-up ist und dann noch im Bereich AdTech, bei dem man nicht auf den ersten Blick sieht, um was es geht und man deswegen nicht so ernst nimmt, was ich damit mache. Ich habe schon während meiner Praktika vor und während des Studiums angefangen, mich in Bereichen zu bewegen, die eher von Männern dominiert sind, vorrangig im IT-Bereich. Da mir das Technische aber nie lag, habe ich mich auf Vertrieb konzentriert und damit sämtliche Erfolge nach Hause geholt, damit auch den Respekt meiner Vorgesetzten, Kollegen und Geschäftspartner. Es

Vorbilder

Meltem Rohrbeck: „Ich wollte Familie und Beruf!“

Meltem Rohrbeck ist seit 15 Jahren bei einem amerikanischen Großunternehmen beschäftigt. Sie hat Soziologie, BWL und Jura an der Uni Mainz studiert. Obwohl sie Personalmanagerin ist, kann sie von Zuhause aus arbeiten, um Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Im SWANS Interview erzählt sie von ihrer Entscheidung, Kinder und Karriere zu kombinieren, von ihren bisherigen Karriereschritten und den Vorteilen von Diversity beim Recruiting Prozess. Das Gespräch führte Maycaa Hannon. SWANS: Frau Rohrbeck, vorab vielen Dank für das Gespräch. Stellen Sie sich bitte kurz vor! Rohrbeck: Ich bin 37 Jahre alt, in Wiesbaden geboren und im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen. Meine Eltern sind vor circa 50 Jahren aus der Türkei als Gastarbeiter eingewandert. Zuhause waren wir fünf Kinder, wobei ich die jüngste meiner Geschwister war. Meine Mutter war trotz der fünf Kinder immer berufstätig und ist für mich da ein großes Vorbild. Zurzeit lebe ich mit meinem Mann und meinen drei Kindern in England. Obwohl mein Arbeitgeber keinen Standort in der Nähe meines Wohnortes hat, habe ich das absolute Glück, in meiner aktuellen Position als HR Managerin von Zuhause aus arbeiten zu können. Meine Funktion fordert von mir auch eine hohe Flexibilität und Reisebereitschaft, gleichzeitig kann ich das Tagesgeschäft von Zuhause aus abwickeln. So lässt sich mein privates Familienleben gut mit meiner Karriere verbinden. SWANS: Wie war Ihr Berufseinstieg? Rohrbeck: Nach dem Abitur habe ich Soziologie mit den Nebenfächern BWL und Jura studiert. Im letzten Semester absolvierte ich ein Praktikum bei einem Unternehmen, in dem ich im Anschluss auch meinen Berufseinstieg hatte. Seitdem sind 14 Jahre vergangen und es ist nach wie vor sehr spannend. Im Unternehmen herrscht das Job-Rotation Prinzip, sodass wir die Möglichkeit bekommen, alle zwei bis drei Jahre unsere Stellen innerhalb der Funktion, in meinem Fall also innerhalb verschiedener Stationen des Personalmanagements, im Unternehmen zu wechseln. So haben wir die Möglichkeit, nicht nur in der Zentrale zu arbeiten, sondern auch Einblicke in andere Unternehmensbereiche, wie zum Beispiel Forschung & Entwicklung sowie Produktion zu gewinnen. Diese Chancen habe ich genutzt und kann rückblickend sagen, dass ich durch die Vielfalt der Stellen sehr viel dazugelernt habe und mein Netzwerk im Unternehmen stetig ausbauen konnte. In meiner Position an einem unserer Produktionsstandorte ist mir etwas aufgefallen, was heute mein Interesse an der SWANS Initiative geweckt hat: Unsere Mitarbeitende waren sehr international, aber in Deutschland aufgewachsene Menschen mit Zuwanderungsgeschichte waren unterrepräsentiert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht deutscher Abstammung waren, kamen also direkt aus ihren Heimatländern. Ich habe mich gefragt, woran das liegt. Zudem ist es gerade in den technischen Berufen eine Herausforderung, „gender-equal“ zu rekrutieren, da der Anteil an Studentinnen niedriger ist. Ich bin in einem Konsumgüterunternehmen tätig, wir sind global vertreten, viele unserer Produkte werden von Frauen genutzt, Kaufentscheidungen werden vornehmlich von Frauen getroffen. Insofern kann es nur von Vorteil sein, wenn die Belegschaft die gesellschaftliche Vielfalt repräsentiert. SWANS: In der Debatte rund um die Frauenquote wird häufig das Argument gebracht, wir benötigen die Frauenquote weniger, als dass wir flexiblere und familienfreundlichere Arbeitsumfelder benötigen. Etwas, das Sie mit Ihrer jetzigen Stelle auch vorleben. Wie stehen Sie also zur Frauenquote? Rohrbeck: Natürlich kann es herausfordernd sein, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, aber ich habe mich bewusst dafür entscheiden, beides zu haben. Ich bin trotz aller Hürden im Endeffekt einfach glücklich, dass ich nicht auf Eines auf Kosten des Anderen verzichten muss. Das ist meine Entscheidung und was ich sehr an meinem Arbeitgeber schätze, ist, dass diese Entscheidung nicht hinterfragt wird. Selbstverständlich muss ich am Ende des Tages meine Ergebnisse abliefern – aber solange dies der Fall ist und die geschäftlichen Ziele erreicht werden, macht es keinen Unterschied, von wo ich meine Aufgaben erledige, ob ich eventuell die Kinder zwischendurch abgeholt und weitergearbeitet habe, nachdem ich sie ins Bett gebracht habe. Grundsätzlich bin ich kein Fan davon, jemanden einzustellen oder zu fördern allein aufgrund des Geschlechtes. Die Qualität der gelieferten Arbeit sollte entscheidend sein, da darf man auch im Interesse beider Seiten keine Kompromisse eingehen. Andererseits sind Frauen rein statistisch nicht in allen Lebensbereichen gleichgestellt – da muss das Umdenken noch stattfinden. Und, da kann eine Quote hilfreich sein, um den ersten Schritt zu machen. Gleichzeitig sollte man auch dieses Thema ganzheitlich betrachten. Warum gibt es immer noch einen hohen Anteil an Frauen, die nach der Elternzeit nicht oder nur in einem sehr geringen Umfang zur Arbeit zurückkehren? Warum werden viele Familien gesellschaftlich stigmatisiert, wenn sie nicht dem klassischen Rollenmodel folgen? Warum muss man Babys noch während der Schwangerschaft in einer Betreuung anmelden und geht dennoch leer aus? Jede Frau (und jede Familie) sollte die Freiheit haben, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen – für mich ist mein persönliches Lebensmodell das Richtige, bei anderen kann das ganz anders aussehen und das ist auch gut so. Aber unabhängig von der jeweiligen Entscheidung sollten die Rahmenbedingungen für alle gleich gut sein. SWANS: Welchen Tipp geben Sie Berufseinsteigerinnen? Mir liegen zwei Dinge am Herzen: 1) Ich finde es persönlich in allen Lebensbereichen unglaublich wichtig, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen, zu wissen was man will und dann auch das gezielt umzusetzen. Es wird immer Leute geben, die das dann gut oder schlecht finden – aber solange man selber hinter den eigenen Zielen steht, erfährt man eine größere Akzeptanz. Vielleicht hat mir dabei auch die Tatsache geholfen, nicht aus einem Akademikerhaushalt zu kommen. Sehr früh musste ich Entscheidungen treffen, bei denen mir beispielsweise meine Eltern keinen Input geben konnten. Sie haben mir jedoch immer das Gefühl gegeben, dass sie mir vertrauen und mich in allem unterstützen würden. Das hat mir sehr viel Mut gemacht. ​2) Man sollte offen für Veränderungen sein und sich nicht in Rollen reinpressen lassen. In meinem bisherigen Leben habe ich schon häufiger Entscheidungen getroffen und Veränderungen initiiert, die für andere im ersten Moment nicht nachvollziehbar waren. Rückblickend kann ich sagen, dass Veränderungen natürlich manchmal Risiken mit sich bringen, aber aus meiner Sicht hauptsächlich Chancen. SWANS: Danke für das Gespräch!

Vorbilder

Hila Azadzoy: „Ich wollte schon immer einen positiven Impact haben“

Hila Azadzoy ist Teil des Gründungsteams von Kiron Open Higher Education, einem Online-Studienprogramm für Geflüchtete mit dem Ziel, bestehende Barrieren auf dem Weg zur Hochschulbildung für Flüchtlinge mittels digitaler Lern- und Unterstützungsangebote abzubauen. Dort leitet sie die Hochschulkooperationen. Sie ist in Hamburg aufgewachsen und hat ihren Abschluss (M.Sc.) an der Universität Hamburg in Economics, Politics and Philosophie absolviert. Ihre Eltern kamen in den 1970er Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Im Gespräch mit SWANS erzählt Hila, wie sich für sich entdeckt hat, für welche Werte sie einstehen will und welche Tipps sie für Studentinnen heute hat. Das Gespräch führte Maycaa Hannon. SWANS: Wie würdest du dich selbst beschreiben? Azadzoy: Eines war mir schon immer klar: Ich wollte immer einen positiven Impact haben. Wie genau, war mir in meiner Jugend noch nicht klar. Aber ich wusste, dass ich mich für diejenigen einsetzen wollte, die nicht die Möglichkeit dazu haben, es für sich selbst zu tun. Der Bereich Menschenrechte und humanitäre Hilfe hatte mich daher schon immer angesprochen. Die frühe Auseinandersetzung mit dem Thema hängt sicherlich auch mit meiner eigenen Familiengeschichte zusammen: Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber meine Eltern kommen aus Afghanistan. Da ich die afghanische Sprache spreche und mir mein Vater viel von Afghanistan erzählt hat, lag es nahe, dass ich ein großes Interesse für die Region entwickelte und schon von klein auf die politischen Ereignisse und die Entwicklung des Landes verfolgte. Ein Ereignis, was mich sicherlich nachhaltig geprägt hat, ist mir besonders in Erinnerung geblieben – Mädchen durften zur Zeit des Taliban-Regimes nicht zur Schule gehen. Diese Nachricht war damals für mich (ich war ca. zehn Jahre alt) ein Schock und hat mir vor Augen geführt, dass es ein großes Glück ist, in Deutschland aufzuwachsen und Zugang zum Bildungssystem zu haben. Aus dieser Erkenntnis heraus und dem Bewusstsein, dass es mich und meine Geschwister auch hätte anders treffen können, entstand mein Antrieb etwas im Bereich humanitäre Hilfe, Menschenrechte und der Verbesserung von Bildungschancen zu tun. Im Sommer 2015 bin ich nach Berlin gezogen und habe mich mit meinem ehemaligen Kommilitonen Vincent Zimmer kurzgeschlossen. Er war gerade im Prozess, Kiron aufzubauen und ich war sofort fasziniert von seiner brillanten Idee. Ich war sehr beeindruckt und wusste sofort, dass ich hier voll und ganz dabei sein möchte, um diese Idee zur Realität werden zu lassen. SWANS: Wie waren deine Kindheitserfahrungen? Wer hat dich besonders unterstützt und geprägt? Azadzoy: Zu meinen größten Unterstützern gehörten meine Eltern und ich verdanke ihnen alles. Mein Vater ist ein wahrer Philanthrop, der mir von klein auf grenzenlose Hilfsbereitschaft vorgelebt hat. Er hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, sich für andere einzusetzen, die weniger privilegiert sind. Meine Mutter ist eine starke Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und mir beigebracht hat, keine Angst davor zu haben, meine Meinung zu sagen und mutig zu sein. Beide haben einen sehr großen Wert auf Bildung gelegt und hatten immer das Ziel, dass ich und meine Geschwister studieren und etwas in der Gesellschaft bewirken. Aus meiner Schulzeit ist mir besonders mein Lateinlehrer in Erinnerung geblieben. Er hatte so ein wahnsinniges Urvertrauen in mich und meine Fähigkeiten, was mich unwahrscheinlich motiviert – oder wie man heute sagt „empowered“ – hat. SWANS: Wie empfandest du die Phase um deinen Berufseinstieg? Azadzoy: Im Anschluss an das Studium hatte ich mich bei einigen Organisationen beworben und erinnere mich, dass ich es ganz schön schwierig fand, mich im Bewerbungsdschungel zurechtzufinden. Ich habe dann ein Angebot von Human Rights Watch erhalten und bin daraufhin nach Berlin gezogen. Doch als ich Vincent wiedergetroffen habe, hat mir meine Intuition sofort gesagt, dass Kiron aufbauen das Richtige ist. Das war rückblickend betrachtet weitaus riskanter, wir hatten keine Finanzierung, keine stabilen Strukturen, doch ich sah eher all die Chancen. Daher habe ich mich gegen die Position bei Human Rights Watch entschieden und bin in die Gründungsphase bei Kiron eingestiegen. SWANS: Wie war die Entstehungsphase und das Wachstum von Kiron für dich? Azadzoy: Die erste Idee hatte Vincent schon im Dezember 2014, zwar noch nicht auf Geflüchtete gemünzt, aber mit dem gleichen Ziel: Den Zugang zur Bildung durch digitale Lösungen für benachteiligte Gruppen erhöhen. Die Idee hat schon damals einige begeistert, da mitzuwirken und sie voran zu treiben. Aber im Sommer 2015 hat die Idee dann durch den Flüchtlingszuzug einen Nerv getroffen: Es wurde deutlich, dass Geflüchtete massiv benachteiligt wurden und der Zugang zu Bildung kein Selbstläufer ist. Das war nicht nur in Deutschland der Fall, sondern fast überall auf der Welt. Unsere Idee traf zu der Zeit auf den richtigen Kontext – das mediale Interesse war groß. Auch seitens der Politik war man für pragmatische, skalierbare Lösungsansätze wie unsere offen. Unser schnelles Wachstum wurde durch die hohe gesellschaftliche Sichtbarkeit des Themas ermöglicht. Für mich persönlich war das eine Achterbahnfahrt. Innerhalb von einem Jahr haben wir uns zu einer Organisation mit fast über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 3000 Studentinnen und Studenten entwickelt. Man kann sich vorstellen, dass es mehr Chaos als Strukturen gab – wir sind alle sehr oft an unser Limit gegangen. Jedoch war das eine der besten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. SWANS: Was empfiehlst du jungen Studentinnen, die kurz vor ihrem Abschluss stehen? Azadzoy: Ich rate dazu, dass man sich schon im Studium mit anderen kurzschließt. Man lernt dort so spannende Menschen kennen. Man sollte also schon in dieser Phase gemeinsam mit Kommilitoninnen und Kommilitonen an Ideen arbeiten und sich somit ganz neue Wege eröffnen. Ich habe Vincent auch im Studium kennengelernt und wir blieben in Kontakt – daraus ist nicht nur eine so großartige, vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden, sondern auch noch eine Freundschaft fürs Leben, für die ich sehr dankbar bin. Ein weiter Tipp ist, offen zu sein und einen positiven Mindset zu entwickeln. Damit meine ich, dass man wirklich daran glaubt, dass alles möglich ist. Wenn man diesen Grundsatz verinnerlicht hat, geht man anders durch die Welt und wird von seinem Umfeld auch dementsprechend wahrgenommen. Viele Möglichkeiten entfalten sich dann fast schon von ganz alleine. Ich kann ein gutes Beispiel nennen:

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Südkurier: Soziale Initiative SWANS engagiert sich für kluge Frauen mit ausländischen Wurzeln

„Es wäre schön, wenn es einen Arbeitsmarkt gäbe, wo jeder den Job für das bekommt, was er kann. Das Frustrierende ist aber, dass es eben nicht nur nach Lebenslauf und Qualifikation geht“, sagt Martha Dudzinski. Damit Studentinnen und Absolventinnen mit hervorragenden Studienleistungen, die oft genug daneben auch noch Stipendien, Ehrenämter und Arbeitserfahrungen durch Praktika und fachrelevante Nebenjobs vorweisen… Weiterlesen

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