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Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Agiert strategisch – wie beim Schach!“

Dr. Hedda Ofoole Knoll ist General Director beim Diversity-Unternehmen Employers For Equality. Zuvor leitete sie als Geschäftsführerin das soziale Jobportal tbd*– The Changer GmbH. Hier erarbeitete sie innovative Formate, insbesondere zu Genderfragen und Anti-Rassismus in der Personalpolitik und arbeitete u.a. mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen, dem Goethe Institut und der NGO Oxfam. Die ausgebildete Kommunikations- und Verhaltenstrainerin gibt Workshops, u.a. zu Anti-Diskriminierung und „Belonging“ (Zugehörigkeit). Sie berät Unternehmen in Diskriminierungsvorfällen und hält Vorträge und Keynotes. Das Gespräch führte Zekiye Tolu.    SWANS: „Mit welchen Werten bist du aufgewachsen?“  Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Ich bin in Deutschland geboren und als Schwarzes Mädchen in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen. Dadurch hatte ich eine Community, in der ich mich gut zurechtgefunden habe. Für mich war von Anfang an klar, dass man sich für Gerechtigkeit einsetzen muss. So bin ich aufgewachsen. Durch meine Eltern, die sich für Verbände und Demonstrationen engagierten, habe ich diesen Wert verinnerlicht. Die Bereitschaft, sich für wichtige Themen einzusetzen und einen geschützten Raum zu schaffen, waren Werte, die meinen Eltern besonders am Herzen lagen.“  SWANS: „Gab es Vorbilder, die dich bestärkt haben?“  Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Meine Eltern waren meine Vorbilder, wenn es um politisches und soziales Engagement ging. Es waren weniger berühmte Persönlichkeiten oder Koryphäen, die mich inspirierten, sondern vielmehr das Netzwerk, in dem ich gelebt und gewohnt habe.  Für mich war besonders die Art des Zusammenhalts prägend – wie migrantische Personen auf uns Kinder aufgepasst haben, bevor meine Eltern von der Arbeit nach Hause kamen. Das Vorbildliche daran war der Gemeinschaftssinn, der Zusammenhalt und das Gefühl, getragen zu werden. Dieses Netzwerk ist für mich ein Vorbild fürs Leben geworden.“  SWANS: „Wie bist du zu deinem Studium gekommen?“  Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Mein Vater ist promovierter Ingenieur an der TU Berlin, und ich habe mir überlegt, wie ich das System aktiv mitgestalten kann. Um mich von meinen Eltern, die auf die Straße gegangen sind und demonstriert haben, abzugrenzen, wollte ich das Wirtschaftssystem von innen heraus beeinflussen.  Durch meine Mutter habe ich erfahren, wie unfair die Strukturen waren, insbesondere in der Arbeitswelt. Meine Mutter konnte das Abitur an der Abendschule nicht abschließen. Da sie kein Abitur vorweisen konnte, wurde sie trotz ihres umfangreichen Wissens und ihrer hervorragenden Arbeit mit Kindern schlechter bezahlt. Diese Ungerechtigkeit wollte ich ändern. Es war für mich klar: Ich möchte in eine Position gelangen, in der ich mitentscheiden und Einfluss auf die Strukturen nehmen kann, um etwas zu verändern. Aus diesem Grund habe ich zunächst den Studiengang Betriebswirtschaftslehre gewählt, der genau dies ermöglicht, und anschließend in Wirtschaftswissenschaften promoviert.“  SWANS: „Was ist aus deiner Sicht wichtig für die Gleichstellungsarbeit?“   Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Bei tbd*- The Changer GmbH habe ich mich dafür eingesetzt, dass durch die richtigen Maßnahmen wie Intersektionalität und “Belonging” entsprechende Ansätze in die Jobsuche integriert wurden. Es war mir wichtig, dass sich die Angestellten wohlfühlen und erkennen, dass wir nicht nur Diversität anstreben, weil es gerade im Trend liegt, sondern weil wir uns bereits im Vorfeld intensiv damit auseinandergesetzt und die nötigen Strukturen dafür geschaffen haben.  Diese Art von Maßnahmen habe ich sowohl für unser Team als auch durch Workshop-Formate eingeführt, um andere in diesem Bereich zu schulen. In diesem Zusammenhang habe ich in diesem Sektor den ersten ‚Belonging-Space‘ ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich um eine Art geschützten Raum, in den vor allem Input von Expert:innen, mehrheitlich BIPOC (Schwarze Menschen, Indigene und People of Color) und FLINTA (Frauen, Lesben, Intersex, nichtbinär, trans* und agender Personen), einfloss.  In diesem Raum haben sie gelernt, wie sie sich als Expert:innen in der Arbeitswelt schützen, sich methodisch empowern, mit Resilienz umgehen und sich gegenseitig austauschen können. Normalerweise waren sie in ihren Abteilungen häufig allein eingesetzt und auf sich selbst gestellt.“   SWANS: „Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung einer Führungsposition und was sind deine Erfolgsgeheimnisse?“  Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Die größten Herausforderungen für mich liegen in den Bereichen Geld, Kündigungen und Konflikte im Team. In diesen Situationen wünsche ich mir eine andere Herangehensweise, als sie das bestehende System bisher gezeigt hat. Hier fehlt es an Vorbildern, da ich bislang nur wenige Schwarze FLINTA in meiner Position gesehen habe.  Weil ich selbst mehrere Diversitätsdimensionen in mir vereine, viele Herausforderungen erlebt habe und den ‚Belonging-Space‘ auch für mich selbst gebraucht hätte, fällt es mir leicht, diese Themen zu erkennen und sie im Personalbereich einzuführen.“  SWANS: „Wir leben in einer Zeit in Deutschland, in der wir uns spalten. Wie können wir uns weniger spalten lassen und wieder mehr aufeinander zugehen?“  Dr. Hedda Ofoole Knoll: „In mir gibt es zwei innere Stränge, die ich verfolge. Ich bin eine geborene Brückenbauerin, geprägt durch meine Familie und ihre Geschichte. Meine Großeltern waren weiße Menschen aus Deutschland, geprägt vom Krieg und tief verwurzelt in rassistischen Weltbildern. Gleichzeitig haben sie mich geliebt. Dieses Spannungsfeld hat das Brückenbauen zu einem Teil von mir gemacht.  Mein Vater hat ebenfalls eine Brücke gebaut, indem er sagte, dass meine Großeltern, trotz ihrer Perspektive auf mich, immer meine Großeltern bleiben würden. Dieser Gedanke hat mir geholfen, sie zu respektieren – nicht zuletzt, weil ich großen Respekt vor älteren Menschen habe.  Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus habe ich ein ganzes Programm an Maßnahmen entwickelt, das sich auf das Brückenbauen konzentriert und dieses Prinzip auch in andere Kontexte überträgt.  In zehn bis zwanzig Jahren werden wir nicht mehr die Minderheit sein. Wenn in Zukunft bestimmte Bereiche im ländlichen Raum austrocknen und beispielsweise keine Schwarzen Pflegekräfte mehr hinfahren oder Ärzt:innen dort tätig werden, wird ein Umdenken oder eine Veränderung unumgänglich sein. Möglicherweise wird es in solchen Situationen auch von rechter Seite ungemütlich werden.  Daher ist es wichtig, dass wir zu Global Playern werden und kurz- sowie mittelfristige Pläne entwickeln, um auf alle möglichen Szenarien vorbereitet zu sein. Du kannst dich finanziell absichern und mit deinem Netzwerk einen Plan B erarbeiten.  Und wenn die Brücke zur Demokratie erfolgreich gebaut wird, ist alles gut. Selbst dann war der Plan B nicht umsonst, denn er könnte der nächsten Generation von großem Nutzen sein.“  SWANS: „Was würdest du gerne in Unternehmen oder in der

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Selmin Çalışkan: „Walk your talk.“

Selmin H. Çalışkan arbeitet als Strategie-Beraterin und Executive Coach in Berlin, berät Führende in herausfordernden Situationen und unterstützt diese bei der Organisations- und Strategieentwicklung, der Positionierung, dem Fundraising und der internationalen Vernetzung. Zuletzt war sie Direktorin im Berliner Büro der Open Society Foundations und zuvor Generalsekretärin bei Amnesty International Deutschland. Sie setzt sich seit ihrer Jugend in Deutschland und international, für die Rechte von Frauen, Minderheiten und von (Kriegs-)Gewalt betroffenen Menschen ein. Sie engagiert sich hauptberuflich und ehrenamtlich als intersektionelle Feministin, Anti-Faschistin und Menschenrechtsexpertin für Demokratie, Frieden und Menschenrechte.    SWANS: „Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben? Wie sind Sie aufgewachsen?“  Selmin Çalışkan: „Ich bin in sehr einfachen Verhältnissen und in zwei Familien aufgewachsen – in meiner türkischen Gastarbeiterfamilie und in einer deutschen Bäckersfamilie der Kriegsgeneration. Sie waren unsere Vermieter, und ich konnte über den Garten unkompliziert zwischen den Familien und Welten wechseln. Bis zu meinem siebten Lebensjahr hatte ich dadurch beides: Türkisch und deutsch, muslimisch und christlich, das Gefühl, einer Minderheit anzugehören, und gleichzeitig stundenweise der Mehrheitsgesellschaft.  Durch die Weltoffenheit meines Vaters hatten wir viele Familienfreundschaften mit deutschen, jugoslawischen, griechischen und anderen türkischen Familien. Danach zogen wir weg, und ich war mehr in der türkischen Community. Ich habe viel gelesen, um mich aus meinem Leben, das ich als beengend empfand, ‚wegzubeamen‘. Später kamen Leistungsvolleyball und gesellschaftspolitische Aktivitäten hinzu.  Als eines der wenigen migrantischen Kinder in Düren konnte ich das Gymnasium besuchen – und das auch nur, weil ich mich gegen den Willen meiner Lehrerin und ohne die Unterstützung meiner Eltern selbst angemeldet hatte. Ich war immer in mehreren Welten und Sprachen unterwegs: Tagsüber mit deutschen, weißen Mittelschichtsjugendlichen, Nazilehrern (und ein paar griechischen Freundinnen) und glücklicherweise auch mit Lehrer:innen der berühmten 68er-Generation. Nachmittags dann im muttersprachlichen Unterricht mit türkischen Jugendlichen, die aufgrund des strukturellen Rassismus kaum Aussichten auf Lehrstellen oder höhere Bildung hatten.  Diese Jugendlichen waren oft lebensklüger, lustiger, erwachsener und mutiger als die Gymnasiast:innen. Für mich war Deutschland von Geburt an ein Multikulti-Land – lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Ich habe es sehr genossen, in unterschiedlichsten Welten zu sein – mal in der einen auf-, und in der anderen abzutauchen. Diese Welten sind bis heute fest in mich eingewoben.“   SWANS: „Gab es Vorbilder, die Sie für Ihren Karriereweg positiv beeinflusst haben?“   Selmin Çalışkan: „Es gab vier Frauen, die mich als Kind geprägt haben:  Meine Mutter, die uns Töchtern immer einschärfte: ‚Tochter, du darfst dich niemals von einem Mann abhängig machen. Schaff dir ein eigenes Bankkonto mit eigenem Geld aus eigener Arbeit.‘ Sie verwaltete unser Familiengeld und organisierte uns finanziell.  Die deutsche Bäckerin, die den Lebensmittelladen führte, immer picobello aussah, die Buchhaltung machte und am Steuer ihres Peugeots saß, wenn wir einen Ausflug machten. Auch sie war die Finanzchefin ihrer Familie.  Meine Cousine in Ankara, die bei einer Bank arbeitete, lange nicht heiraten wollte, allein wohnte und in den Urlaub fuhr – ein Ding der Unmöglichkeit in den 1970ern. Sie ging zum Taekwondo-Training, hatte lange schwarze Haare, eine eloquente Art und eine geheimnisvolle Ausstrahlung. Sie wirkte auf mich wie die türkische Filmschauspielerin und Feministin Türkan Şoray.  Meine Deutschlehrerin auf dem Gymnasium, die mit uns in der fünften Klasse Texte aus dem Nationalsozialismus las, ihre Türkei-Reise als Diashow präsentierte (eine ganz andere Türkei, als ich sie kannte) und Feministin der 1968er-Generation war. Sie inspirierte mich, was den Modestil angeht – seit damals liebe ich es, Kleider zu tragen.“  SWANS: „Woher kommt Ihr Gerechtigkeitssinn? Warum engagieren Sie sich für Menschenrechte?“  Selmin Çalışkan: „In meiner Kindheit und Jugend habe ich, trotz viel Wohlwollens, oft erlebt, dass wir als ‚die Anderen‘ angesehen und behandelt wurden. Es gab hässliche Szenen: Menschen beschimpften uns an der Supermarktkasse, und mein Vater wurde grundlos auf der Straße kontrolliert, als wäre er ein Krimineller. Das hat uns Kinder sehr beschämt.  Wir lebten in Wohnungen ohne Bad, mit Öfen und Außenklos. Unsere Eltern arbeiteten für niedrigere Löhne als Deutsche mit der gleichen Tätigkeit. Meine türkischen Freund:innen hatten kaum Chancen auf Lehrstellen oder höhere Bildung. Gleichzeitig bemerkte ich mit etwa sieben Jahren, dass ich als Mädchen anders behandelt wurde – irgendwie minderwertiger, sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland. Das hat mich sehr geärgert und motiviert, anderen jungen Frauen zu helfen, sich zu wehren.   Diese Ungerechtigkeiten haben meinen Wunsch bestärkt, mich für Menschenrechte einzusetzen.“  SWANS: „Wie schaffen Sie den Spagat einer privilegierten Gesellschaft in Deutschland und anderen Ländern, in denen die Menschen weniger Rechte haben?“  Selmin Çalışkan: „Durch Solidarität und Empathie mit Menschen, die von bewaffneten Konflikten, Armut, Entrechtung, Folter, häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen sind. Ohne Empathie gibt es keine Solidarität, denn nur wer auch Schmerzhaftes an sich heranlässt und mit anderen mitfühlen kann, kann in die Aktion gehen, um Veränderungen zu bewirken.  Es war mir immer besonders wichtig, jene Menschen aus Deutschland und der Europäischen Union heraus zu unterstützen, die sich vor Ort für die Rechte und politische Teilhabe anderer einsetzen. Diese Menschen stammen aus den betroffenen Ländern, kennen sich dort aus und haben eine eigene Vision für ihr Land. Meistens stehen sie im Visier ihrer Regierungen und anderer, oft bewaffneter Gruppen und benötigen deshalb internationalen Schutz – von den Vereinten Nationen oder NGOs, die sicherstellen, dass Menschen individuell geschützt und solche Fälle rechtlich betreut werden. Ein Beispiel hierfür ist der Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger:innen der UN. Der Schutz und die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverteidiger:innen aus dem Kongo, Bosnien, Afghanistan, Mali, Ägypten, Mexiko, der Türkei, Indien oder Italien waren mir stets ein Herzensanliegen, vor allem der Schutz von Frauen unter ihnen.  Aber wir brauchen gar nicht so weit zu blicken: Auch in Deutschland ist ein solcher Spagat nötig. Es gibt hier viele Menschen, die weniger Rechte haben und großes Leid erfahren haben, zum Beispiel diejenigen, die ihre Liebsten durch rechtsextremistische Terroranschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verloren haben. Sie erleben bis heute kaum Gerechtigkeit oder Anerkennung. Ein weiteres Beispiel ist die pro-demokratische Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Sie benötigt dringend Fördergelder und strategische Allianzen, um dem Belagerungszustand durch rechtsmotivierte Akteur:innen standzuhalten. Gemeinsam, mit uns allen, muss es gelingen, diesen Zustand zu durchbrechen.  Grundsätzlich müssen in Zukunft mehr Beteiligungsformate geschaffen werden, die

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Sarah Blaßkiewitz: „Die Hürden kommen meist unerwartet.”

Sarah Blaßkiewitz ist Regisseurin, Drehbuchautorin und ehemalige Schauspielerin. Ihr erster Langfilm IVIE WIE IVIE wurde u. a. beim Festival des deutschen Films als Bester Film ausgezeichnet und erhielt den Gilde Filmpreis der Programmkinos 2021. Sie inszenierte 2021 vier Folgen der WebserieDRUCK und 2022 die Serie “SAM – EIN SACHSE” von Disney+, für die sie mit dem Grimme-Preis 2024 ausgezeichnet wurde. Aktuell läuft die Comedy-Serie “OH HELL” auf Magenta TV und als Max (HBO)-Original in den USA, bei der Sarah Blaßkiewitz die gesamte 2. Staffel inszeniert hat. Sie studierte Film an der Beuth Hochschule Berlin und arbeitete im Regie- und Kameradepartment bei Filmproduktionen. SWANS: „Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben? Wie sind Sie aufgewachsen?“  Sarah Blaßkiewitz: “Ich beschreibe meine Kindheit als kreativ und glücklich. Ich hatte von meiner Mama, als auch der Familie, eigentlich alle Freiheiten- bis auf das Rauchen, Alkohol, und all das, was man als Kind nicht machen sollte. Von daher war ich froh, dass ich mich so frei entfalten konnte.”  SWANS: „Gab es Vorbilder, die Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gestärkt haben?“  Sarah Blaßkiewitz: “Ja, meine Vorbilder waren unter anderem die deutsche Band Tic Tac Toe, die britische Girlband Spice Girls und der TV-Detektiv Columbo.”  SWANS: „Haben Sie Rassismus erlebt und wie sind Sie damit umgegangen?“  Sarah Blaßkiewitz: “Da Rassismus viele Facetten hat und auch oft versteckt daherkommt, musste ich im Laufe meines Lebens Jahr für Jahr neu lernen, damit umzugehen. Ich habe mittlerweile erkannt, dass ich nicht länger damit umgehen möchte. Wenn ich beispielsweise verbal angegriffen werde, bleibt mir oft die Sprache weg. Die Verletzungen, die ich erlitten habe, stammen häufig aus früheren negativen Erfahrungen und werden durch neue Beleidigungen nur verstärkt. Warum sollte ich mich als Opfer verteidigen? Warum sollte ich versuchen, damit ‚umzugehen’? Meiner Meinung nach muss die gesamte Gesellschaft besser mit solchen Situationen umgehen, damit Betroffene wie ich nicht mehr damit konfrontiert werden. Wenn jemand geschlagen wird, bedeutet das nicht, dass die Lösung darin besteht, zurückzuschlagen. Die Person, die rassistisch beleidigt wird, verdient Schutz und Verteidigung! Viele meiner Freunde wurden auf offener Straße von Nazis angespuckt. Wie soll diese Freundin oder dieser Freund anders reagieren, als sich schnell in Sicherheit zu bringen? Nach dem Spucken könnte bereits ein Tritt oder Schlag folgen. Ich denke, die Frage nach dem Umgang ist in diesem Kontext nicht ganz passend. Wenn es Lösungen oder Ideen gibt, die mir helfen könnten, besser mit Rassismus umzugehen, bin ich offen dafür. Aber wie ich zu Beginn sagte, bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr mit Menschenverachtung, Rassismus und Hass reagieren möchte.”  SWANS: „Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?“ Sarah Blaßkiewitz: “Ich habe schon früh im Kinder- und Jugendtheater mitgespielt. Anschließend konnte ich in einer Jugendserie mitspielen. Schließlich habe ich irgendwann begriffen, dass ich lieber hinter der Kamera stehe und anderen dabei zuschaue, wie sie spielen. Ich arbeite nur noch in absoluten Ausnahmen vor der Kamera, weil ich mich auf der anderen Seite viel wohler fühle. Ich habe den Beruf der Filmemacherin gewählt, weil ich mir nichts Anderes für mich vorstellen konnte und bis heute nicht kann.”  SWANS: „Was wünschen Sie sich zukünftig für die Film- und Produktionsbranche?“  Sarah Blaßkiewitz: “Ich wünsche mir von der Branche mehr Geld und Zeit, aber vor allem ein ehrlicheres Miteinander. Es sollte mehr Ausgewogenheit zwischen den Bereichen Streamern, TV und Kino vorhanden sein. Die Kinoproduktion hat es gerade in der Finanzierung sehr schwer.”  SWANS: „Wodurch lassen Sie sich für Ihre Drehbücher inspirieren?“  Sarah Blaßkiewitz: “Meine Inspirationsquellen für gute Drehbücher sind Menschen, Kunst und gute journalistische Arbeit.”  SWANS: „Auf welche gemeisterten Hürden in Ihrem bisherigen Leben sind Sie besonders stolz?“  Sarah Blaßkiewitz: “Ich bin stolz darauf, dass ich weiter mache, trotz Hürden! Die Hürden kommen meist unerwartet und können einen schwer treffen. Da kann es schon mal hart sein, sich selbst wieder zu motivieren und aus der Krise herauszukommen. Das funktioniert am besten mit Freund:innen und Familie, die einem zur Seite stehen.”  SWANS: „Was empfehlen Sie einer jungen Frau mit Einwanderungsgeschichte, die Schauspielerin werden will? Welche Schritte schlagen Sie vor?“  Sarah Blaßkiewitz: “Ich würde ein Handy nehmen und dich von einer Freund:in wie du eine Szene spielst, oder einen Monolog sprichst, abfilmen lassen. Gehe ins Theater, lies Texte, schau dir Filme an. Probiere dich aus und sauge alles auf, was nur möglich ist. Danach brauchst du jemanden, der dir eine gute Mentorin oder Mentor ist. Das ist im besten Fall auch eine Schauspielerin oder eine Person, die dich anderen auch vorschlagen kann. Lerne parallel immer auch Deutsch und Englisch, weil alles in deinem Job über Sprache laufen wird.” SWANS: „Was möchten Sie abschließend unserer Community gerne mitgeben?“  Sarah Blaßkiewitz: “Wir sollten uns als Frauen auf der Karriereleiter nicht einschüchtern lassen. Der Weg für uns ist steiniger als für Männer, aber wir haben die doppelte und dreifache Kraft dazu! Man muss nur rechtzeitig erkennen, wer einem gut tut und wer einen aufhält, sein Ziel zu verfolgen.”  SWANS: „Vielen Dank für das Gespräch!“

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Selcan Ipek-Ugay: “Ich hatte keine Vorbilder.”

Selcan Ipek-Ugay ist Professorin für Informatik an der Berliner Hochschule für Technik (BHT). Sie war in der Informatik-Lehre engagiert und nahm zuvor gleichzeitig diverse Positionen im außeruniversitären Umfeld ein, darunter Softwareentwicklerin, SCRUM-Masterin, Business Development Managerin und Head of Software Development. Nach ihrem Studium der Medizinischen Informatik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Hochschule Heilbronn promovierte sie an der Berliner Charité am Institut für Experimentelle Radiologie und dem Institut für Medizinische Informatik. Während ihrer Promotion lag ihr Schwerpunkt auf der Entwicklung nichtinvasiver und bildgestützter Diagnosesysteme, um Organveränderungen wie Leberverhärtungen oder Tumore unmittelbar ohne Biopsie zu erkennen. Sie wurde 1985 in Adana (Türkei) geboren und kam kurz vor ihrem 12. Geburtstag zusammen mit ihrer Familie nach Deutschland (Hessen). Die heutige Professorin hat als erste aus ihrer Familie das Abitur gemacht, nachdem sie zunächst auf die Hauptschule geschickt worden war. SWANS: „Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben? Wie sind Sie aufgewachsen?“  Selcan Ipek-Ugay: „Meine Kindheit war von bescheidenen und authentischen Verhältnissen geprägt. Zunächst wuchs ich in einem kleinen Dorf am Mittelmeer auf. Später zogen wir in eine kleine Stadt in Hessen. Dort sah ich mich plötzlich mit einer neuen Sprache, Kultur und einem völlig fremden Umfeld konfrontiert.  In dieser herausfordernden Situation musste ich früh Verantwortung übernehmen – sowohl zuhause, als auch in der Schule. Ich war praktisch die zweite Mutter für meine vier Geschwister und wollte ihnen ein Vorbild sein. Deshalb war es mir wichtig, immer klare Ziele zu setzen und einen Plan zu verfolgen. Diese Erfahrungen haben mich sehr früh reifen lassen und tief geprägt.“  SWANS: „Ihr Werdegang von der Schule bis zum Studium war sicherlich nicht leicht. Gab es Vorbilder, die Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gestärkt haben?“  Selcan Ipek-Ugay: „Mein schulischer Werdegang war in der Tat sehr herausfordernd, da ich gar keine Vorbilder hatte. In meiner Familie oder Bekanntenkreis hatte niemand das Abitur gemacht oder studiert. Meine Eltern konnten nur drei Jahre die Dorfschule besuchen. Da wir das deutsche Bildungssystem nicht kannten, wurden meine Geschwister und ich zunächst auf eine Hauptschule geschickt. Schnell erkannte ich, wie wichtig es war, aus diesem schulischen Umfeld herauszukommen – einer Bubble, in der weder gefordert noch gefördert wurde. Dennoch musste ich zuerst die Hauptschule beenden, die mittlere Reife nachholen, um dann als Einzige in meinem Jahrgang auf ein naturwissenschaftliches Gymnasium gehen und Abitur machen zu dürfen.“  SWANS: „Sie haben Rassismus erlebt. Wie sind Sie damit umgegangen?“  Selcan Ipek-Ugay: „Bereits kurz nach unserer Ankunft in Deutschland und dem Beginn mit der Schule erlebte ich meine erste Begegnung mit Diskriminierung – nicht nur von Mitschüler:innen, sondern auch von Lehrkräften, weshalb mein schulischer Weg so hart war. Da ich aber zuvor keine Berührung mit Rassismus hatte, konnte ich diese Erfahrungen erst viele Jahre später richtig reflektieren.   Interessanterweise erfahre ich in den letzten Jahren erneut spürbaren Rassismus. Besonders belastend ist es, diese Erfahrungen in der Öffentlichkeit und oft vor den Augen meiner Kinder machen zu müssen. Auch wenn mich das innerlich stark getroffen hat und ich häufig das Fehlen von Zivilcourage bemerkt habe, habe ich nach außen hin meist ruhig und gefasst reagiert. Einmal rief ich sogar die Polizei, um gegen antimuslimischen Rassismus und Beleidigungen vorzugehen.“  SWANS: „Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen? Was oder wer hat Sie inspiriert?“   Selcan Ipek-Ugay: „Bereits seit der Grundschule wusste ich, dass mir Naturwissenschaften, insbesondere Mathematik und logisches Denken Spaß machen.  In der Oberstufe hatte ich Biologie als Leistungskurs und konnte dort die Relevanz der Informationstechnologie für medizinische Anwendungen kennenlernen, wie etwa Methoden zur Krankheitsuntersuchung wie DNA-Sequenzierung und die Kombination bildgebender Verfahren wie PET-CT zur Unterstützung der Diagnose.  Als ich kurz vor meinem Abitur einen Ausflug nach Heidelberg machte und mich in die Stadt verliebte, entdeckte ich den Studiengang Medizinische Informatik an der dortigen Universität. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest, was ich studieren wollte.  Bei der Wahl des Studiengangs Medizinische Informatik bin ich von meinen fachlichen Interessen und von der Schönheit der Stadt Heidelberg ausgegangen.  Während meiner Promotionszeit in der experimentellen Radiologie fand ich es sehr spannend, neue innovative Diagnose- und Therapiesysteme zu erforschen und unmittelbar anzuwenden. Zudem hat es mir Spaß gemacht, meine Erfahrungen und mein Wissen mit jungen Menschen zu teilen. Deshalb bin ich in der Forschung und Lehre geblieben.“  SWANS: „Warum brauchen wir mehr Frauen in der Informatik bzw. Technologie?“  Selcan Ipek-Ugay: „Frauen in der Informatik tragen zur Förderung von Vielfalt bei und ermöglichen damit innovativere und diskriminierungsfreiere Lösungen.“  SWANS: „Hat eine diskriminierende Gesellschaft einen Einfluss auf die Technologie?“  Selcan Ipek-Ugay: „Ja, absolut. Wenn bestimmte Gruppen von der Gesellschaft systematisch benachteiligt werden, können diese Vorurteile in Technologieprodukte bzw. -prozesse, z.B. Algorithmen oder KI-Systeme einfließen. Dies kann wiederum dazu führen, dass Technologien bestehende soziale Ungleichheiten und diskriminierende Muster verstärken.“  SWANS: „Welche Fähigkeiten und Eigenschaften brauche ich als Frau, um mich in Ihrer Branche behaupten zu können und erfolgreich zu sein?“  Selcan Ipek-Ugay: „Als Frau in der IT-Lehre und -Forschung muss man sich durch seine fachliche Expertise stets beweisen. Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen sind wichtige Eigenschaften, um sich in einem üblicherweise männerdominierten Umfeld zu behaupten. Ein starkes Netzwerk und das Annehmen von Herausforderungen sind ebenfalls bedeutend.“  SWANS: „Sie haben inzwischen vier Kinder. Wie vereinbaren Sie Beruf und Familie miteinander?“  Selcan Ipek-Ugay: „Mit vier kleinen Kindern ist es eine ständige Herausforderung, die Balance zwischen Privat- und Berufsleben zu finden. Daher musste ich in den letzten Jahren häufig Nachtschichten einlegen, um meine Pflichten überhaupt zu bewältigen. Effektives Zeitmanagement und eine gerechte Aufgabenverteilung sind dabei essenziell.  Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist anspruchsvoll, aber mit einigermaßen flexiblen Arbeitszeiten und einem Partner, der sich der gemeinsamen Verantwortung für Familie und Kinder bewusst ist, durchaus realisierbar.“  SWANS: „Auf welche gemeisterten Herausforderungen in Ihrem bisherigen Leben sind Sie besonders stolz?“  Selcan Ipek-Ugay: „In meiner finalen Promotionsphase habe ich innerhalb eines Jahres meine ersten zwei Kinder bekommen. Trotz der Herausforderungen von zwei Geburten und den damit verbundenen privaten und auch fachlichen Anforderungen konnte ich meine Dissertation nach insgesamt drei Jahren erfolgreich mit summa cum laude verteidigen. Als jüngste Doktorin meines Jahrgangs habe ich meine Promotionsurkunde auf der großen Bühne zusammen mit meiner einjährigen

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Jasmin Arbabian-Vogel: „Wir haben einen doppelten Rucksack auf der Schulter.“

Jasmin Arbabian-Vogel hat Politologie und Sozialpsychologie in Hannover studiert und ist geschäftsführende Gesellschafterin der Interkultureller Sozialdienst GmbH.  Sie führt drei weitere Unternehmen und ist Aufsichtsratsmitglied der Deutschland Immobilien AG. Sie engagiert sich als Beirätin und Vorständin in verschiedenen regionalen und bundesweiten Organisationen, darunter für den Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) e.V., davon seit 2018 als Vorsitzende und seit 2016 als Honorarkonsulin für das Königreich Schweden. 2008 erhielt sie den Wirtschaftspreis der Stadt Hannover und 2015/2016 wurde sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und die bundesweite Gründerinnenagentur (bga) als Vorbildunternehmerin für die Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Sie wohnt mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern in Hannover. Das Gespräch führte Zekiye Tolu.  SWANS: „Wie würden Sie ihre Kindheit beschreiben?“  Jasmin Arbabian-Vogel: „Ich bin 1968 in Deutschland geboren. Mein Vater ist Iraner und meine Mutter Deutsche. Die beiden haben sich in Deutschland kennengelernt, da mein Vater seinerzeit vom Schah zum Studieren nach Deutschland geschickt wurde. Sie haben in Hannover relativ schnell geheiratet. Ich bin als zweites Kind hier geboren, mein Bruder ist vier Jahre älter als ich. Als ich zwei Jahre alt war, sind meine Familie und ich in den Iran gegangen. D.h. die ersten beiden Lebensjahre habe ich in Deutschland verbracht und von da an bin ich erstmal im Iran geblieben. Ich bin zwei Wochen vor meiner Volljährigkeit und nach dem Absolvieren des Abiturs im Iran 1986 wieder zurück nach Deutschland ausgewandert. Die politische Lage im Iran wurde dort zunehmend schwieriger, deshalb sind wir ohne meinen Vater zurück nach Deutschland. Er blieb zunächst im Iran. Er pendelte bis zum Ende seines Lebens zwischen Iran und Deutschland und ist hier auch nie richtig ansässig geworden. Er begründete es mit der Aussage: ‚Was soll ich hier? Hier bin ich nur ein Ausländer und im Iran bin ich „Herr Ingenieur“.’  Ich bin somit in den entscheidenden prägenden Kindheitsjahren mit beiden Religionen im Iran aufgewachsen – Christentum und Islam. Meine Eltern haben mich in beiden Religionen aufwachsen lassen und gesagt, dass ich mich irgendwann selbst für eine Religion entscheiden soll. Mit zehn Jahren habe ich entschieden, dass ich Atheistin werde, weil ich nicht an Gott glaube.  Als ich mit 18 Jahren in Deutschland ankam, hatte ich meinen ersten Schock, weil mein Abitur nicht anerkannt wurde. Das Schicksal teilte ich mit vielen eingewanderten und geflüchteten Menschen, deren Abschlüsse nicht anerkannt werden. Ich hatte allerdings das große Glück die doppelte Staatsbürgerschaft zu haben. Das war damals ein Novum. Wir hatten damals durch die doppelte Staatsbürgerschaft die Möglichkeit, legal auswandern zu können, wenn sich die politische Lage im Iran verschärft hätte. Ich durfte dann mit der deutschen Mutter das Land verlassen. Deswegen waren wir eine exotische Gruppe von doppelten Staatsbürger:innen. Hätte ich die doppelte Staatsbürgerschaft nicht gehabt, hätten wir Fluchtrouten nehmen müssen.   Das hieß, ich musste das Abitur in Deutschland nachholen. Anfangs fand ich das unangenehm, aber im Nachhinein war das die richtige Entscheidung, weil es den Kulturkonflikt etwas abgefedert hat. Es ist nämlich schon ein Unterschied, wenn man nur die Ferien in Deutschland verbringt, als hier zu leben. Ich habe das Abitur in Hannover absolviert, folglich bin ich insgesamt 15 Jahre zur Schule gegangen und habe anschließend Politologie und Sozialpsychologie studiert. Nach Beendigung des Studiums habe ich mich selbstständig gemacht.  Insgesamt kann ich sagen, dass meine Kindheit und Jugend sehr schön waren, weil der Iran ein fantastisches Land ist. Auch wenn in den 1970ern die Revolution kam und später die Islamische Republik, womit es für Frauen immer schwieriger wurde. Das ist nicht das, was das Leben dort ausmacht. Das Leben vollzieht sich nicht im politischen, sondern im privaten Raum, Die Gesellschaft ist trotz islamischer Republik die gleiche geblieben. Insofern bin ich von einer über 2.500 Jahre alten Kultur mit gastfreundlichen, kosmopolitischen und liebenswürdigen Menschen aufgewachsen und getragen. Das, was ich heute bin, bin ich, weil ich auch im Iran aufgewachsen bin.“   SWANS: „Warum haben Sie sich direkt nach dem Studium selbstständig gemacht?“  Jasmin Arbabian-Vogel: „Dafür gab es verschiedene Gründe. Wenn man zum Einen Politologie und Sozialpsychologie studiert, studiert man kein konkretes Berufsfeld. Wenn Sie beispielsweise Physik studieren, werden Sie anschließend Physikerin, das galt nicht für mein Studium. Die Frage ‘Was mache ich nach dem Studium?’ war schon immer virulent. Der Vorteil ist, dass man dadurch flexibel ist, um in sehr unterschiedlichen Bereichen unterzukommen.  Der andere Motivator war, dass ich während des Studiums durchweg gearbeitet habe. Dadurch habe ich erfahren, dass ich die Jobs super fand, aber die Vorgesetzten nicht. Da habe ich früh gemerkt, das ist nicht meine Vorstellung von Arbeit. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir auf der Arbeit. Wenn es da draußen keine Arbeit gibt, die mir gefällt, weil die männlichen Chefs doof sind, dann erschaffe ich mir meinen Arbeitsbereich selbst. Damals gab es leider noch viel mehr männliche Vorgesetzte als heute. Das war für mich ein ganz starkes Motiv. Ich wollte einen Arbeitsplatz schaffen, in dem die Menschen gerne arbeiten und wo man sich auf Augenhöhe und mit Wertschätzung begegnet. Das habe ich bis heute durchgezogen. Das gelingt mir nicht immer. Menschen sind fehlbar, aber das war schon immer meine Zielsetzung und davon bin ich nicht abgewichen.   Der dritte Motivator war, dass ich irgendwann im Studium in einem Pflegedienst in der Verwaltung gearbeitet habe. Zu der Zeit wurde die Pflegeversicherung in Deutschland installiert – das elfte Soziale Gesetzbuch. Zu der Zeit wurden viele Pflegedienste gegründet. Das fiel genau in die Zeit, in der ich in dieser Verwaltung gearbeitet habe. Parallel dazu ist mein Vater krank geworden, also ein Einwanderer, der in Deutschland krank wird. Da wurde mir klar, dass wir in Deutschland ein super soziales Netz aufgebaut haben, es sei denn, du bist eingewandert. Das war der allerstärkste Antrieb, weil ich hautnah miterlebt habe, wie ein Angehöriger mit Migrationshintergrund krank wurde. Wenn die in die Mühlen des Gesundheitssystems geraten, dann wird es schwierig. Deutschland hat sich noch nicht als Einwanderungsland begriffen, obwohl wir eines sind. Die Regelinstitutionen haben sich überhaupt nicht geöffnet. ‘Das mache ich anders.’ Dann habe ich beschlossen, mich mit einem Pflegedienst mit Schwerpunkt auf Menschen mit Einwanderungsgeschichte selbstständig zu machen. Das

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Sara Weber: „Gemeinsam mit Menschen wachsen zu können, ist so wertvoll.“

Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u.a. DIE ZEIT und die Süddeutsche Zeitung arbeitete sie fünf Jahre bei LinkedIn. Sie schreibt die SPIEGEL-Kolumne „ÜberArbeiten“. Ihr erstes Buch „Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten?“ war 2023 ein SPIEGEL-Bestseller. Ihr zweites Buch „Das kann doch jemand anderes machen!“ erscheint im August 2024 bei Kiepenheuer & Witsch. Das Gespräch führte Zekiye Tolu.  SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?“  Sara Weber: „Ich bin in Bayern auf dem Dorf mit meiner alleinerziehenden Mutter in einem Mehrgenerationenhaushalt aufgewachsen. Mein Vater lebte und lebt in den USA. Ich empfand das als sehr schön und prägend. Es gab allerdings wenig People of Color in meiner Umgebung, in meiner Grundschulklasse war ich die einzige. Das hat für mich damals aber keine große Rolle gespielt. Es kamen zwar mal ein paar blöde Sprüche, aber da hat mir meine Familie beigebracht, dass es mir egal sein kann. Sie haben mir klar gemacht: Das ist deren Problem und nicht deins. Und das war im konservativen Bayern eine Einstellung, die für mich gut funktioniert hat.  Als ich ins Gymnasium in die nächstgrößere Stadt kam, habe ich die Unterschiede bemerkt. Es war eine Art Eliteschule, in die viele Kinder aus eher wohlhabenden Familien gingen. Das waren Familien mit verheirateten Eltern, die zwei bis drei Kinder hatten. Die Mutter blieb meistens zu Hause, während der Vater in einem sehr gut bezahlten Job arbeitete. Meine Mutter hingegen hat an der Kasse gearbeitet, mein Vater hat in den USA gelebt und ich sah nicht aus wie alle anderen. Das war der Moment, als ich gemerkt habe, dass ich nicht so ganz reinpasse. Wenn ich hingegen in den Ferien bei meiner Familie in den USA war, war ich in einer anderen Position. Das war der Anfang einer Phase, in der ich herausfinden wollte, wie ich in diesen Kontext passe. Wie passen diese verschiedenen Lebensrealitäten, zwischen denen ich mich bewege, zusammen? Und was bedeutet das für meine Identität?“   SWANS: „Wie hast du Rassismus erlebt und wie bist du damit umgegangen?“  Sara Weber: „Den Alltagsrassismus gibt es immer – das wissen alle People of Color. Das geht von rassistischen Sprüchen bis hin zu ungefragt in die Haare fassen. Bestimmt gab es auch andere rassistische Formen der Diskriminierung, die mir damals gar nicht so bewusst waren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich keine größeren Übergriffe erlebt habe. Ich hatte ein sehr angenehmes Umfeld aus Familie und Freund:innen, in dem ich gut eingebunden und geschützt war.   Ich gehörte allerdings auch zu den ‘Guten‘ mit Migrationshintergrund, aus der Außenperspektive betrachtet – auch wenn ich persönlich es für höchstproblematisch halte, so zwischen Herkunftsländern zu unterscheiden. Aber in den 1990ern und 2000ern waren die USA ein sehr beliebtes Land, auf das man eher herauf- als herabgeblickt hat. Es gab dort coole Klamotten, die es hier in Deutschland noch nicht gab, es war ein Sehnsuchtsort. Das hat geholfen. Die USA waren damals sexy, sie hatten einen ganz anderen Status.“  SWANS: „Wer waren deine Vorbilder, die dich in deinem Leben bestärkt haben?“  Sara Weber: „Es gab während meiner Schulzeit keine anderen Schwarzen Personen in meinem Umfeld in Deutschland. Ich war auf einer sehr weißen, bayerischen Schule und das hat sich widergespiegelt. Ich hatte dennoch das Glück, dass ich von meiner Mutter, meinem Vater und meiner gesamten Familie bestärkt wurde. Es war ihnen wichtig, mir beizubringen, dass ich so wie ich bin, gut bin. Und wenn andere Menschen mir etwas Anderes erzählen, sagt es mehr über sie aus als über mich. Das ist eine sehr privilegierte und stärkende Denkweise, die dich nicht davor schützt, wenn du in Extremsituationen bist, in denen du wegen rassistischer Angriffe um deine Gesundheit oder dein Leben fürchten musst, aber hilft, Alltagssituationen besser wegzustecken.“  SWANS: „Welche Werte hast du mitbekommen?“  Sara Weber: „Die familiäre Verbindung schätze ich sehr, da ich sowohl in Deutschland, als auch in den USA in einem starken Familienverbund aufgewachsen bin. Ich habe eine sehr große Familie, die sich sehr nah ist. Sowohl in der Kernfamilie, als auch in der gewählten Familie ist immer jemand für mich da. Ich kann mich immer auf jemanden verlassen. Das ist ein tiefsitzender Wert, den ich immer mit mir rumtrage. Ich weiß, ich kann jederzeit um 5 Uhr morgens bei diesen Menschen vor der Tür stehen und sie würden keine Fragen stellen.   Ein anderer Wert ist, seinem Bauchgefühl zu folgen und zu wissen, dass das einen richtig leitet. Und mir ist Geld als Statussymbol nicht wichtig. Wir alle brauchen natürlich Geld zum Leben, um ein Dach über dem Kopf zu haben, um zu essen, um unser Leben zu bestreiten. Aber Geld als Statussymbol brauche ich nicht. Ich habe kein Bedürfnis, viele teure Dinge zu besitzen. Die wahren Werte, die ich mitbekommen habe, sind Gesundheit, Familie, Zusammenhalt und Füreinander da sein. Danach gestalte ich mein Leben.“   SWANS: „Auf welche der von dir gemeisterten Hürden bist du besonders stolz?“  Sara Weber: „Was mich beschäftigt hat, war die Studienzeit. Mir war nicht klar, was und wo ich studieren soll. Was steht mir beruflich offen? Die Schule fiel mir relativ leicht, aber ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt studieren soll. Meine Mutter hat mir geraten zu studieren. Ich hatte Lust darauf, aber ohne zu wissen, was das konkret bedeutet. Mir war nicht bewusst, wie das System funktioniert. Meine Mutter konnte mir auch nicht aus eigener Erfahrung berichten, wie das läuft. Andere hatten es da leichter, weil sie es von ihren Familien schon kannten.  Zum Anderen waren wir finanziell nicht so aufgestellt, dass ich mir alles einfach leisten konnte. Während ich mit meinem BAföG haushalten musste, sind andere Student:innen in den Semesterferien in den Urlaub gefahren, haben ein Auslandssemester absolviert. Diese finanziellen Unterschiede, aber auch der Habitus von Menschen aus Akademiker:innen-Familien war für mich sehr klar und deutlich.  Ebenso stellte die Kommunikation eine Herausforderung für mich dar. Es gab einfach andere Begrifflichkeiten, die ich vorher nicht kannte

Vorbilder

Sawsan Chebli: „Ich hätte nie gedacht, dass ich Staatssekretärin werde.“

Sawsan Chebli ist Politikerin (SPD) und Buchautorin. Heute lebt sie in Berlin, ist verheiratet und Mutter eines Sohnes. In Berlin ist sie zur Schule gegangen und hat auch dort Politikwissenschaften studiert. 2001 ist sie in die SPD eingetreten. Erstmals öffentlich wurde sie 2010 als Grundsatzreferentin für Interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. 2014 hat sie der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier ins Auswärtige Amt zur stellvertretenden Sprecherin berufen. Von 2016 bis 2021 war sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. In dieser Funktion begann sie, in den sozialen Medien ihre Stimme zu erheben. Auf Twitter folgen ihr über 120.000 Follower:innen. Dort erlebt sie Hass, aber auch aufrichtige Unterstützung. In ihrem Buch LAUT spricht sie über das Thema Hass im Netz und warum dieser Hass nichts Anderes als digitale Gewalt ist. Das Gespräch führte Zekiye Tolu.  SWANS: „Du hast eine besondere Geschichte. Wie hast du deine Kindheit erlebt?“  Sawsan Chebli: „Ich bin 1978 als zwölftes Kind einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie in Berlin geboren. Elf meiner Geschwister sind im Flüchtlingslager in Libanon geboren und haben dort 20 Jahre im Lager gelebt. Ich war fünfzehn Jahre staatenlos. Mein Vater hatte in den 70er Jahren entschieden, nach Deutschland zu fliehen, um meiner Familie eine bessere Perspektive zu geben. Wir hatten jahrelang nur einen Duldungsstatus. Die Frage, ob dieser Status verlängert wird, also ob wir bleiben durften oder nicht, hing von den Launen der Beamt:innen ab. Mal wurde unser Aufenthalt um zwei Wochen verlängert, mal um ein paar Tage und mal um einen Monat. Da war alles drin. Und all das gesehen und erlebt zu haben, hat mich sehr geprägt.  Was mich aber am meisten geprägt hat, war, als ich meinen Vater mit fünf Jahren in einer Abschiebehaft besucht habe. Mein Vater wurde zwei Mal abgeschoben. Diesen Gang in die Zelle werde ich niemals vergessen. Ich weiß heute noch, wie sich das angefühlt hat. Ich habe mir sehr früh geschworen, dass ich niemals zulassen werde, dass mich jemand so behandelt. Und ich habe mir geschworen, dass ich alles tun werde, um gegen Unrecht und Ungerechtigkeit zu kämpfen. Ich werde immer meine Stimme erheben und meine Stimme für all die zu nutzen, deren Stimme nicht gehört wird. Das hat mich am Ende dazu gebracht, in die Politik zu gehen und laut zu sein. Meine Biografie ist und war für mich immer ein Motor dafür, Dinge zu tun oder auch nicht. Der Kampf um Gerechtigkeit ist mein moralischer Kompass. Das gibt mir immer wieder die Kraft, laut zu sein und gegen Unrecht zu kämpfen – auch wenn es kompliziert und nicht immer leicht ist.“  SWANS: „Wie war der Weg in die Politik?“  Sawsan Chebli: „Ich habe Politikwissenschaften studiert – mit dem Ziel, in die Politik zu gehen. Anfangs habe ich mich auch dafür interessiert, in einer politisch internationalen Organisation zu arbeiten und dabei zu helfen, einen unabhängigen Staat Palästina aufzubauen.  Mein erster Job als Praktikantin war im Bundestag. Dort habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut. Mein Ziel war es, nicht nur für Politiker:innen zu arbeiten, sondern selbst Politik zu betreiben. Ich bin mit 21 in die SPD eingetreten. Ich habe dort dann bei Wahlkämpfen unterstützt. Als Frank-Walter Steinmeier für den Bundestag kandidierte, habe ich eine Kampagne für ihn gestartet. Die Kampagne lautete: Wie können wir arabisch-stämmige Menschen davon überzeugen, die SPD zu wählen? So begann meine Karriere in der Politik – und brachte mich dann auch zur Position als Staatssekretärin.“  SWANS: „Hast du schwierige Phasen erlebt und wie bist du damit umgegangen?“ Sawsan Chebli: „Mein beruflicher Werdegang verlief nicht steil. Es gab Höhen und Tiefen. Ich hatte auch nie einen Masterplan für mein Leben. Einiges war Glück, vieles Ehrgeiz und geholfen hat sicherlich auch die Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen und zu halten.“  SWANS: „Was würdest du einer Person empfehlen, die nicht so ehrgeizig ist, aber trotzdem eine Botschaft vertreten will?  Sawsan Chebli: „Ehrgeiz, familiärer Hintergrund oder Glück dürfen nicht die Bedingung dafür sein, dass man etwas erreicht. Wir brauchen Chancengerechtigkeit, damit alle etwas erreichen können. Es muss auch nicht jede:r ein Frontrunner sein. Es gibt Leute, die stillere Töne wählen, um Haltung zu zeigen. Hauptsache man schweigt nicht, wenn bestimmte Dinge nicht richtig laufen.  Wichtig finde, dass man sich ein Netzwerk oder Freund:innenkreis aufbaut, die einen stärken und Halt geben. Man muss nicht alles mit sich selbst ausmachen, so wie ich es oft gemacht habe. Ich habe erst spät gemerkt, dass es ok ist, um Hilfe zu fragen. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, sich einzugestehen, dass man allein nicht mehr weiterkommt. Es gibt sehr viele wohlwollende Menschen, auf die ich mich verlassen kann. Da kann man Kraft schöpfen. Wenn man einmal die Hürde genommen und die Angst vor Ablehnung überwunden hat – das gibt einem einen ganz schönen Boost.“  SWANS: „Was hast du aus der Politik gelernt?“   Sawsan Chebli: „Resilienz. Denn Politik ist ein hartes „Geschäft“. Ich habe zu Beginn meiner politischen Karriere Menschen fast blind vertraut. Das hat sich im Laufe der Jahre verändert. Ich bin ein wenig vorsichtiger geworden, auch wenn Menschen, die mich kennen, das anders einschätzen würden. Sie sind der Meinung, ich sei immer noch zu offenherzig. Gleichzeitig habe ich unfassbar inspirierende Politiker:innen getroffen, die mein Leben mitgeprägt haben. Ich liebe die Politik, sie ist mein Leben – auch wenn ich gerade sehr mit meiner Partei hadere.“  SWANS: „Welchen Einfluss haben die aktuellen Kriege auf dich?  Sawsan Chebli: „Sie bestimmten mein Leben. Vor allem der Krieg in Gaza. Es tut weh, das Gefühl zu haben, dass ich nichts tun kann. Dieses Gefühl der Ohnmacht wiegt schwer. Das Gefühl, nichts gegen das Unrecht tun zu können, das Palästinenser:innen derzeit erleben – die Bilder von Tod und Zerstörung, all das raubt mir oft den Schlaf.  Es ist schwer, am Ende die Hoffnung zu wahren und zu hoffen, dass das „laut“ Sein irgendwie hilft. Jeden Tag mit dem Leid aufzustehen und ins Bett zu gehen und dabei nicht die Hoffnung an die Menschheit zu verlieren, ist ziemlich schwer. Aber es gibt ja auch keine Alternative, als

Vorbilder

Saina Bayatpour: „Kurz vor Sonnenaufgang ist es am dunkelsten.“

Saina Bayatpour ist mehrfach ausgezeichnete Unternehmerin, Uni-Dozentin, Autorin und Speakerin. Bereits mit 27 Jahren, während ihres Germanistik, Anglistik und Markt- und Werbepsychologie Studiums an der LMU München, gründete sie ihr erstes Unternehmen: eine Marketing- und Eventagentur. Ganz ohne Kredite, nur mit einem geringen angesparten Startkapital. In den Folgejahren wurde die Agentur zu einer international tätigen Firma mit mehrstelligem Millionenumsatz und weltweit fünf Filialen. Auf diese folgten viele weitere Firmen. 2013 entstand die Business Women’s Society, die sie 2022 in SHECIETY umbenannte – ihr zweites großes Steckenpferd, mit der sie Frauen auf ihrem Weg zum Erfolg unterstützt und sich aktiv für Frauen und Kinder weltweit einsetzt. Das Gespräch führte Zekiye Tolu. SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?“ Saina Bayatpour: „Ich bin 1980 im Iran geboren, d.h. meine Kindheit bis zur Auswanderung bestand auch aus Kriegserlebnissen. Kurz nach meiner Geburt begann dort der Krieg. Mit sieben Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. Da war die Kindheitszeit insofern schöner, als dass hier kein Krieg herrschte und ich mich sicher und frei gefühlt habe. Dennoch habe ich mich sehr fremd und nicht zugehörig gefühlt. Das ist ein Gefühl, dass mich heute noch prägt.“ SWANS: „Wie gehst du heute mit dem Nicht-Zugehörigkeitsgefühl um? Fühlst du dich heute zugehörig?” Saina Bayatpour: „Ja, ich finde das Gefühl der Zugehörigkeit in der Familie und unter Freund:innen. Aber ich versuche das Gefühl in mir zu stärken, dass ich nur zu mir gehören muss. Es ist nicht wichtig, im Außen dazu zugehören, sondern es ist im Prinzip Inner Work. Du musst dich in dir so gefestigt fühlen, dass es eigentlich völlig egal ist, wo du bist, weil du bist in dir. Das ist eine Veränderung, die mir sehr weiterhilft.“ SWANS: „Du hast Rassismus in deiner Schulzeit erlebt. Wie bist du damit umgegangen?“ Saina Bayatpour: „Ich habe es als Kind nicht als Rassismus eingestuft. Ich habe nur gemerkt, ich werde anders behandelt. Als Kind versteht man das glaube ich nicht so richtig. Das hat in mir das Gefühl von fremd sein und unwohl fühlen massiv verstärkt. Ich habe aber erst mit Ende 30 bis Anfang 40 verstanden, was für einen Einfluss es auf mein Leben hatte. Situationen, die ich in der Schule erlebt habe, wie z.B. dass meine Lehrerin Ausländer:innen nicht mochte und mir ganz klar gesagt hatte, dass ich hier nichts verloren habe. Die Glaubenssätze ‚Du gehörst nicht dazu. Du bist nicht gut genug.‘ waren immer noch in mir aktiv und haben einen massiven Einfluss auf unser Leben. Es können 100 positive Sätze dabei gewesen sein und ein negativer reicht, um deinen Weg auf eine völlig andere Bahn zu lenken. Deshalb finde ich es unfassbar wichtig, dass man auch die Lehrer:innen mehr kontrolliert oder den Umgang mit Kindern überwacht. Das passiert heute leider gar nicht. Ich habe einfach gemerkt, dass dieser Glaubenssatz mir komplett im Weg stand. Diese kleinen Anfeindungen hatten eine große Wirkung.“ SWANS: „Wie hast du diesen Glaubenssatz für dich gedreht oder umgewandelt?“ Saina Bayatpour: „Ich habe ihn für mich gedreht, in dem ich mir gesagt habe: Die Vergangenheit kann ich nicht verändern, aber die Emotion dazu. Ich habe für mich verstanden, dass dieser Mensch, der mir diesen Satz beschert hat, eine arme Sau ist. Das ist jemand, der sich selbst nicht genug liebt. Dieser Mensch ist so in seiner Angst gefangen, dass er nichts Fremdes erleben will. Oder vielleicht ist sein Sicherheitskonzept gefährdet, wenn das Bild nicht reinrassig deutsch war. Die Lehrerin war das Problem, nicht ich. So konnte ich das für mich lösen. Ich bin in Mitgefühl mit diesen Menschen gegangen. Und das ist nicht so, dass es mit einmal erkannt erledigt ist. Es ist ein unfassbar langer Prozess und es gibt immer noch Situationen, in denen es hochploppt. Durch das Erkennen kann ich die Emotion dazu für mich verändern. Du musst es immer wieder wie einen Muskel trainieren, bis du dein altes Programm überschreibst. Da sind Geduld und Kontinuität starke Komponenten.“ SWANS: „Unsere Schwäne haben während ihrer Jugend viel Verantwortung übernommen. War das bei dir ähnlich?“ Saina Bayatpour: „Ja, total und das ist echt ein Phänomen, dass ich bei vielen Menschen mit Einwanderungsgeschichte feststelle. Entweder haben sie viel Verantwortung auferlegt bekommen oder übernommen, die nicht gesund ist. Ich selbst habe auch mit neun die Familienverantwortung übernommen, als mein Vater verstorben ist. Mein Bruder ist acht Jahre älter und ich hatte das Gefühl, ich muss jetzt diese Familie retten. Man trägt so eine Verantwortung, dass man oft damit zu kämpfen hat. Ich habe dann gemerkt, dass ich gar nicht im Stande war, eine wirkliche Beziehung einzugehen, weil ich mich ja schon um eine Familie gekümmert habe. Wer hätte da noch Platz in diesem Konstrukt gehabt? Das sind echt spannende Mechanismen, wenn man sie verstanden hat: Wow, ok macht Sinn!“ SWANS: „Was waren deine gemeisterten Hürden, auf die du besonders stolz bist?“ Saina Bayatpour: „ Es tatsächlich trotz der furchtbaren Lehrerin auf das Gymnasium geschafft und mein Abitur bestanden zu haben. Auch da gab es Lehrerinnen, die meinten, dass ich das nicht schaffe. Ich bin ebenso stolz auf das Studium, weil es nicht leicht war, nebenbei in Vollzeit zu arbeiten, um mir das Studium leisten zu können. Am Ende des Tages bin ich seit über 17 Jahren Unternehmerin und finde, dass ich es gut mache. Ich habe alleine gegründet. Ich habe keine Investoren gehabt, keine Kredite. Manche meinten, sie geben mir ein bis zwei Jahre. 17 Jahre später gibt´s mich immer noch als Unternehmerin. Da neigen wir Frauen leider dazu, dass wir nicht stehen bleiben und uns auf die Schulter klopfen: Das hast du geil gemacht! Das versuche ich mir gerade beizubringen. Ich sage mir, dass ich in ein fremdes Land gekommen bin, wo mir immer wieder Steine in den Weg gelegt worden sind. Dadurch musste ich mich noch mehr beweisen und trotzdem stehe ich heute noch da. Und ich stehe gut da. Das ist das, was ich unserem Netzwerk Sheciety vermittle: Glaub an dich. Wenn du nicht an dich glaubst, wird niemand zu dir kommen und dich retten. Du musst dich selbst retten. Das

Vorbilder

Dr. Donya Gilan: „Diskriminierte Frauen sind für mich Resilienz-Vorbilder.“

Dr. Donya Gilan ist eine renommierte Psychologin, die sich auf die psychologische Anpassungsfähigkeit des Menschen spezialisiert hat. Sie ist bekannt für ihre Arbeit, die darauf abzielt, Erkenntnisse aus der psychischen Gesundheitsforschung in die Bereiche Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu integrieren. Ihr Fokus liegt auf dem Transfer von Wissen durch kreative Kommunikation, relevante Publikationen, Beratung politischer Entscheidungsträger und die Entwicklung von Programmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz. Sie ist davon überzeugt, dass Wissenschaft dem Wohl von Menschen und Umwelt dienen sollte. Als Leiterin der Transkulturellen Ambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz sowie als Dozentin und Beraterin für Migration, Resilienz und Akkulturation an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ist sie eine führende Expertin auf ihrem Gebiet. Das Gespräch führte Zekiye Tolu. SWANS: „Wie haben Sie Ihre Kindheit erlebt?“ Dr. Donya Gilan: „Meine Kindheit gleicht einem faszinierenden Mosaik aus Erinnerungen, das von den ersten Jahren im lebhaften Iran bis zu meiner aufregenden Einwanderung nach Deutschland im Jahr 1986 reicht. Der Wechsel zwischen den Kulturen war wie eine Entdeckungsreise durch verschiedene Welten, die meine Sinne belebten und meinen Horizont erweiterten. Anfangs zögerte ich, meine Muttersprache Farsi öffentlich zu sprechen, aus Scham und Unsicherheit, da es in meiner Umgebung wenig Fremdsprachigkeit gab. Doch im Laufe der Zeit wandelte sich meine Wahrnehmung grundlegend: Ich erkannte, dass meine Herkunft eine Quelle der Bereicherung ist. Heute empfinde ich es als Privileg, zweisprachig aufgewachsen zu sein, da es mir ein breiteres Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet und eine tiefere Verbindung zu meinen Wurzeln ermöglicht.“ SWANS: „Gab es Vorbilder, die Sie positiv beeinflusst haben?” Dr. Donya Gilan: „Meine Eltern, sowohl meine leidenschaftlich engagierte Mutter als auch mein einfühlsamer Vater, verkörpern für mich die Essenz von Mut, Entschlossenheit und Großzügigkeit. Mein Vater begann sein Medizinstudium im Alter von 30 Jahren und zeigt bis heute eine beispiellose Jugendlichkeit und Aktivität. Sein unermüdlicher Einsatz für die Unterstützung sozial benachteiligter Menschen ist eine Inspirationsquelle für uns alle. Meine Mutter, eine Stimme der Gerechtigkeit und des sozialen Wandels, hat durch ihren unbeirrbaren Kampfgeist und ihre Vision für eine bessere Welt mein Leben nachhaltig geprägt. Besonders beeindruckt hat mich ihr Einsatz für die Rechte von Frauen in Mainz, wo sie sich für die Stärkung der Frauen und ihre politische Teilhabe eingesetzt hat.“ SWANS: „Wenn ich mich in einer Krise befinde, was raten Sie mir in dieser Situation?“ Dr. Donya Gilan: „Die Bewältigung von Krisen ist eine Herausforderung, die nicht nur unsere physische, sondern auch unsere psychische Gesundheit beeinflusst. Migration und die Anpassung an eine neue Gesellschaft stellen ein intensives Resilienz-Training dar, insbesondere für Menschen, die später im Leben in ein neues Land kommen. In solchen Momenten spielen kollektive Schutzfaktoren eine entscheidende Rolle, indem sie eine unterstützende Gemeinschaft bieten und den Glauben an die eigene Stärke stärken. Frauen, die sich in neuen Gesellschaften behaupten müssen, sind oft besonders resilient und kämpfen für ihre Rechte und die ihrer Mitfrauen, wie ich es bei meiner Mutter und anderen bewundernswerten Frauen erlebt habe.“ SWANS: „Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?“ Dr. Donya Gilan: „Mein Interesse an der Psychologie wurde durch die faszinierenden Arbeiten von Pionieren wie Carl Gustav Jung, Sigmund Freud und den einflussreichen Ideen der Frankfurter Schule geweckt. Ihre tiefgreifenden Einsichten in die menschliche Psyche und Gesellschaft haben mein Verständnis für die Komplexität des menschlichen Geistes erweitert und mein Interesse an der Erforschung der Tiefen der menschlichen Seele geweckt. Insbesondere haben mich die psychologischen Theorien zur Emanzipation von Frauen und zur Förderung ihrer Rechte inspiriert, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, diese Erkenntnisse in meinem beruflichen Werdegang zu vertiefen.“ SWANS: „Wie können wir aus Sicht der Resilienz-Forschung unsere psychische Gesundheit fördern?“ Dr. Donya Gilan: „Stille ist eine Art, die mich sehr entspannt. Das ist ein Aspekt, aber das kann für jede Person individuell sein. Man muss für sich seine Kraftquellen herausfinden. Für die eine Person ist es das Kochen, die Gartenarbeit oder die simpelsten Sachen. Das musst du herausfinden, was dir guttut.  Der Mensch braucht aber auch die Abwechslung. Wenn man immer nur eine Sache macht, kann es dazu führen, dass man dann erschöpft ist. Vielfältigkeit und unterschiedliche Aktivitäten im Alltag zu haben, kann da hilfreich sein.  Man sollte sich im Alltag fragen: Welche Einstellung habe ich? Wo habe ich verzerrte Wahrnehmungen, die einen negativen Einfluss auf meine Emotionen und Gedankenwelt haben? Für mich ist der zentralste Faktor: Resilienz funktioniert nur dann, wenn man die Möglichkeiten dazu hat, Resilienz auszuüben. Ich kann nur in den Wald gehen, Selbstfürsorge betreiben, Sport machen, wenn ich Freizeit habe, ohne funktioniert es nicht. Die Rahmenbedingungen sind da sehr wichtig.  Resilienz ist von entscheidender Bedeutung für Frauen, da sie oft einem höheren Maß an Stressoren und Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Politik und die Wirtschaft spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Resilienz von Frauen, indem sie Rahmenbedingungen schaffen, die ihre psychische Gesundheit und ihre Fähigkeit zur Bewältigung stärken. Dies kann durch die Implementierung von Politiken zur Gleichstellung der Geschlechter, zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Sicherstellung des Zugangs zu Bildung und Beschäftigung geschehen. Darüber hinaus können Programme zur Förderung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz und zur Unterstützung von Frauen in Führungspositionen dazu beitragen, die Resilienz zu stärken.“ SWANS: „Welche Anlaufstellen oder kostengünstige Optionen gibt es noch, um meine Resilienz zu stärken? Dr. Donya Gilan: „Ich würde mich bei meiner Krankenkasse erkundigen, die bieten oft Resilienz-Trainings an, die zum größten Teil mitfinanziert werden. Wenn man sich selbst in Resilienz trainieren will, kann man bei jeder Herausforderung, die im Alltag auf einen zukommt, versuchen, diese durch eine andere Brille zu betrachten. Wie könnte ich diese Situation betrachten, die für mich eine Herausforderung darstellt? Wie kann ich an der Situation wachsen, damit der bedrohliche Charakter von stressigen Situationen verschwindet? Ich muss mich der Situation stellen. Ich kann nicht jeden Zustand ändern, aber ich kann meine Umgangsart damit verändern. Das ist der Kern der Resilienz-Ausbildung. Wie kann ich mich selbst so regulieren und einen flexiblen Umgang finden, damit mich diese Stressoren nicht jedes Mal umhauen? Gibt es Perspektiven, die ich verändern könnte? Brauche ich mehr Ressourcen? Wie gehe ich mit Stress um?

Vorbilder

Mo Asumang: „Ich habe mich anfangs versteckt.“

Mo Asumang ist Filmemacherin, Gastprofessorin, Bestsellerautorin, Schauspielerin und wurde 1996 Deutschlands erste afrodeutsche TV-Moderatorin. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit besucht Mo mit ihrem Film „Die Arier“ weltweit Schulen und Universitäten, um im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen das Thema Rassismus einer dialogorientierten Perspektive im Gespräch mit sogenannten „Andersdenkenden“ anzugehen. Zudem ist sie Mitgründerin des Vereins Mo:Lab, der in eintägigen Workshops Botschafter:innen ausbildet für dialogbasierte Antidiskriminierungsarbeit. Für ihr Demokratie-Engagement und ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus und Rassismus wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Das Gespräch führte Zekiye Tolu. SWANS: „Es entstehen in Deutschland leider mehr Rechtsbewegungen. Was können wir als Einzelne aktiv dagegen tun?“ Mo Asumang: „Wir sollten uns zunächst verbinden, Gemeinschaften bilden und über die eigenen Gefühle sprechen. Dann würde ich mich fragen, was mir da auf der Seele brennt und was mich innerlich bewegt. Das ist der erste Schritt, den viele vergessen, bevor sie gleich in die Wut gehen. Das heißt, ich sollte mich vor dem zweiten Schritt erstmal fragen, was mich da tief drin bedrückt. Woher kam das? Was habe ich bisher dagegen unternommen? Aus dem eigenen Heilungsprozess haben wir eine ganz andere Kraft, weil wir dadurch nicht aus der Wut-Kraft heraus handeln, sondern lösungsorientiert sind. In diese Kraft müssen wir hineinkommen, statt diese Ebenen zu überspringen. Wir können diese Angst vor Rassismus und seinen Folgen für die Menschheit nutzen, um uns selbst besser kennenzulernen. Es geht immer um Begegnungen zwischen Menschen – und Begegnungen sind niemals eine Einbahnstraße. Es sind beide Seiten gefordert. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir sagen, dass nur die anderen sich verändern müssen.” SWANS: „Gab es prägende Erfahrungen, dass du dich heute so intensiv gegen Rassismus einsetzt?” Mo Asumang: „Die entscheidende Erfahrung war tatsächlich eine Morddrohung von einer Neo-Nazi Band, die als Lied gesungen in ganz Deutschland verbreitet wurde. Sie versuchten, damit das rechte Spektrum gegen mich zu mobilisieren. Ich wusste nicht, was passieren würde. Es hätte sein können, dass sie eines Tages vor meiner Tür stehen. Aus dieser Belastung heraus musste ich handeln. Dann begann ich meine „Heldinnenreise“. Ich habe mich mit dem Thema auseinandergesetzt, damit ich erstmal in meiner innersten Kraft und stark bin. Ich wollte wissen, wie ich mit der Situation umgehen kann. Vorher habe ich gegenteilig gehandelt und weiß jetzt rückblickend, dass das nicht richtig war: Ich habe mich anfangs erst versteckt und habe gemerkt, dass das der falsche Weg ist. Ich habe mit niemanden über meine Ängste kommuniziert. Heute weiß ich, dass mir der Dialog wichtig ist. Ich habe damit das Gefühl, ich habe die Sache noch in der Hand oder im Griff und bin nicht hilflos und ohnmächtig.“ SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben? Hast du prägende Erfahrungen erlebt, die deinen Werdegang beeinflusst haben?” Mo Asumang: „Ja, es fing schon damit an, dass wir in Kassel wegen meiner Hautfarbe aus dem Haus geworfen wurden. Dort machte ich meine erste Erfahrung mit Rassismus. In der Schulzeit war ich eng mit meinen Freund:innen verbunden und im Austausch, so dass ich dort keine rassistischen Erfahrungen hatte. Heutzutage werden wir bei der Fülle an kommunizierten Diskriminierungs-Fällen, oder auch großen gesellschaftlichen Themen wie Krieg, oft sprachlos. Daher bieten wir mit unserem Verein Mo:lab Workshops für Interessent:innen an, die ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang mit „Andersdenkenden“ trainieren und schulen wollen. Damit gehen wir zum Beispiel an Schulen, Universitäten, Behörden, Vereine oder auch Unternehmen. Wir wollen damit die Demokratie stärken. Weitere Inhalte sind beispielsweise das Üben eines persönlichen Gesprächs, Strategien im Umgang mit Andersdenkenden, und vor allem interaktive Körperübungen. Als Vorbild nehmen wir vielfach die Gespräche aus meinen Filmen, wo mir der Dialog sogar mit Rassisten in den krassesten Situationen gelungen ist, weil meine Dialogtechnik funktioniert. Wir haben den Workshop durch Herr Prof. Dr. Andreas Zick und seinem Team von der Uni Bielefeld evaluieren lassen. Und die Evaluation ist so gut ausgefallen, dass sie uns jetzt engagiert haben, die Leute in der neu gegründeten Konfliktakademie der Uni Bielefeld, zu schulen. Da sind wir sehr stolz drauf. Mit unserem Dialog-Botschafter:innen-Workshop helfen wir den Forschenden, das nötige Handwerkszeug für die Dialog zu erhalten. Der Workshop beinhaltet praktische Übungen, die am Arbeitsplatz, auf der Straße und sogar zu Hause anwendbar sind. Wir haben zusätzlich angefangen, Dialog-Trainer:innen auszubilden, d.h. es können nun Trainer:innen beispielsweise für die Schule oder Vereine bestellt werden. Einige davon sind auch von der Konfliktakademie, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten.“ SWANS: „Wenn sich jemand mir gegenüber rassistisch verhält – wie kann ich mich konkret verhalten und wehren?” Mo Asumang: „Es hilft erstmal, dass ich vorab Resilienz lerne, statt in übliche Verhaltensmuster und Emotionen wie Wut oder Aggression zu verfallen. Durch diese Grundvoraussetzung kannst du eine Haltung entwickeln. Es bringt nichts, unreflektiert zu reagieren. Als nächstes hilft es, so eine Situation in einem geschützten Raum (safer space) nachzuspielen, um zu üben, im inneren Gleichgewicht zu bleiben und den anderen im Gespräch nicht abzuwerten. Dadurch schaffe ich Augenhöhe und die Bereitschaft der anderen Seite, weiter zu denken als sonst. Genau das üben wir in unseren Trainings.“ SWANS: „Du hast einen beeindruckenden, vielfältigen Werdegang. Wusstest du schon immer, in welche Richtung es geht, oder hat sich das mit der Zeit entwickelt?“ Mo Asumang: „Mein Motto war immer: Lass dich treiben, dein Ziel wird dich finden. Ich war mal tatsächlich Taxifahrerin, während ich Visuelle Kommunikation und klassischen Gesang studiert habe. Damit habe ich mein Studium finanziert. Dann fragte mich eines Tages ein Regisseur, den ich im Taxi kennengelernt hatte, ob ich im Studio als Synchronsprecherin einsprechen kann. So fing mein Weg in die Erfahrung als Synchronsprecherin bis zur Schauspielerei an. Danach folgten Filme wie Star Trek, Independence Day oder Das fünfte Element, die ich synchronisiert habe und die mich in diese Branche hineingebracht haben. Dazu kam, dass mich ein Freund als Taxifahrerin fotografierte. Dieses Bild sah ein Regisseur, der jemanden für eine Sendung brauchte. Er suchte für die Sat.1 Serie ‚Berlin bei Nacht‘ einen roten Faden, den ich darstellen sollte. So kam es, dass ich in der Sendung Leute von A nach B gefahren und währenddessen interviewt habe. Daraus entstand die ORB-Sendung ‚Classic-Clips‘ in der ich Klassik-Musik Stars

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