Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Agiert strategisch – wie beim Schach!“
Dr. Hedda Ofoole Knoll ist General Director beim Diversity-Unternehmen Employers For Equality. Zuvor leitete sie als Geschäftsführerin das soziale Jobportal tbd*– The Changer GmbH. Hier erarbeitete sie innovative Formate, insbesondere zu Genderfragen und Anti-Rassismus in der Personalpolitik und arbeitete u.a. mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen, dem Goethe Institut und der NGO Oxfam. Die ausgebildete Kommunikations- und Verhaltenstrainerin gibt Workshops, u.a. zu Anti-Diskriminierung und „Belonging“ (Zugehörigkeit). Sie berät Unternehmen in Diskriminierungsvorfällen und hält Vorträge und Keynotes. Das Gespräch führte Zekiye Tolu. SWANS: „Mit welchen Werten bist du aufgewachsen?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Ich bin in Deutschland geboren und als Schwarzes Mädchen in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen. Dadurch hatte ich eine Community, in der ich mich gut zurechtgefunden habe. Für mich war von Anfang an klar, dass man sich für Gerechtigkeit einsetzen muss. So bin ich aufgewachsen. Durch meine Eltern, die sich für Verbände und Demonstrationen engagierten, habe ich diesen Wert verinnerlicht. Die Bereitschaft, sich für wichtige Themen einzusetzen und einen geschützten Raum zu schaffen, waren Werte, die meinen Eltern besonders am Herzen lagen.“ SWANS: „Gab es Vorbilder, die dich bestärkt haben?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Meine Eltern waren meine Vorbilder, wenn es um politisches und soziales Engagement ging. Es waren weniger berühmte Persönlichkeiten oder Koryphäen, die mich inspirierten, sondern vielmehr das Netzwerk, in dem ich gelebt und gewohnt habe. Für mich war besonders die Art des Zusammenhalts prägend – wie migrantische Personen auf uns Kinder aufgepasst haben, bevor meine Eltern von der Arbeit nach Hause kamen. Das Vorbildliche daran war der Gemeinschaftssinn, der Zusammenhalt und das Gefühl, getragen zu werden. Dieses Netzwerk ist für mich ein Vorbild fürs Leben geworden.“ SWANS: „Wie bist du zu deinem Studium gekommen?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Mein Vater ist promovierter Ingenieur an der TU Berlin, und ich habe mir überlegt, wie ich das System aktiv mitgestalten kann. Um mich von meinen Eltern, die auf die Straße gegangen sind und demonstriert haben, abzugrenzen, wollte ich das Wirtschaftssystem von innen heraus beeinflussen. Durch meine Mutter habe ich erfahren, wie unfair die Strukturen waren, insbesondere in der Arbeitswelt. Meine Mutter konnte das Abitur an der Abendschule nicht abschließen. Da sie kein Abitur vorweisen konnte, wurde sie trotz ihres umfangreichen Wissens und ihrer hervorragenden Arbeit mit Kindern schlechter bezahlt. Diese Ungerechtigkeit wollte ich ändern. Es war für mich klar: Ich möchte in eine Position gelangen, in der ich mitentscheiden und Einfluss auf die Strukturen nehmen kann, um etwas zu verändern. Aus diesem Grund habe ich zunächst den Studiengang Betriebswirtschaftslehre gewählt, der genau dies ermöglicht, und anschließend in Wirtschaftswissenschaften promoviert.“ SWANS: „Was ist aus deiner Sicht wichtig für die Gleichstellungsarbeit?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Bei tbd*- The Changer GmbH habe ich mich dafür eingesetzt, dass durch die richtigen Maßnahmen wie Intersektionalität und “Belonging” entsprechende Ansätze in die Jobsuche integriert wurden. Es war mir wichtig, dass sich die Angestellten wohlfühlen und erkennen, dass wir nicht nur Diversität anstreben, weil es gerade im Trend liegt, sondern weil wir uns bereits im Vorfeld intensiv damit auseinandergesetzt und die nötigen Strukturen dafür geschaffen haben. Diese Art von Maßnahmen habe ich sowohl für unser Team als auch durch Workshop-Formate eingeführt, um andere in diesem Bereich zu schulen. In diesem Zusammenhang habe ich in diesem Sektor den ersten ‚Belonging-Space‘ ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich um eine Art geschützten Raum, in den vor allem Input von Expert:innen, mehrheitlich BIPOC (Schwarze Menschen, Indigene und People of Color) und FLINTA (Frauen, Lesben, Intersex, nichtbinär, trans* und agender Personen), einfloss. In diesem Raum haben sie gelernt, wie sie sich als Expert:innen in der Arbeitswelt schützen, sich methodisch empowern, mit Resilienz umgehen und sich gegenseitig austauschen können. Normalerweise waren sie in ihren Abteilungen häufig allein eingesetzt und auf sich selbst gestellt.“ SWANS: „Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung einer Führungsposition und was sind deine Erfolgsgeheimnisse?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „Die größten Herausforderungen für mich liegen in den Bereichen Geld, Kündigungen und Konflikte im Team. In diesen Situationen wünsche ich mir eine andere Herangehensweise, als sie das bestehende System bisher gezeigt hat. Hier fehlt es an Vorbildern, da ich bislang nur wenige Schwarze FLINTA in meiner Position gesehen habe. Weil ich selbst mehrere Diversitätsdimensionen in mir vereine, viele Herausforderungen erlebt habe und den ‚Belonging-Space‘ auch für mich selbst gebraucht hätte, fällt es mir leicht, diese Themen zu erkennen und sie im Personalbereich einzuführen.“ SWANS: „Wir leben in einer Zeit in Deutschland, in der wir uns spalten. Wie können wir uns weniger spalten lassen und wieder mehr aufeinander zugehen?“ Dr. Hedda Ofoole Knoll: „In mir gibt es zwei innere Stränge, die ich verfolge. Ich bin eine geborene Brückenbauerin, geprägt durch meine Familie und ihre Geschichte. Meine Großeltern waren weiße Menschen aus Deutschland, geprägt vom Krieg und tief verwurzelt in rassistischen Weltbildern. Gleichzeitig haben sie mich geliebt. Dieses Spannungsfeld hat das Brückenbauen zu einem Teil von mir gemacht. Mein Vater hat ebenfalls eine Brücke gebaut, indem er sagte, dass meine Großeltern, trotz ihrer Perspektive auf mich, immer meine Großeltern bleiben würden. Dieser Gedanke hat mir geholfen, sie zu respektieren – nicht zuletzt, weil ich großen Respekt vor älteren Menschen habe. Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus habe ich ein ganzes Programm an Maßnahmen entwickelt, das sich auf das Brückenbauen konzentriert und dieses Prinzip auch in andere Kontexte überträgt. In zehn bis zwanzig Jahren werden wir nicht mehr die Minderheit sein. Wenn in Zukunft bestimmte Bereiche im ländlichen Raum austrocknen und beispielsweise keine Schwarzen Pflegekräfte mehr hinfahren oder Ärzt:innen dort tätig werden, wird ein Umdenken oder eine Veränderung unumgänglich sein. Möglicherweise wird es in solchen Situationen auch von rechter Seite ungemütlich werden. Daher ist es wichtig, dass wir zu Global Playern werden und kurz- sowie mittelfristige Pläne entwickeln, um auf alle möglichen Szenarien vorbereitet zu sein. Du kannst dich finanziell absichern und mit deinem Netzwerk einen Plan B erarbeiten. Und wenn die Brücke zur Demokratie erfolgreich gebaut wird, ist alles gut. Selbst dann war der Plan B nicht umsonst, denn er könnte der nächsten Generation von großem Nutzen sein.“ SWANS: „Was würdest du gerne in Unternehmen oder in der