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Fatime Cetinkaya: „Ich glaubte, ich muss es aus eigener Kraft schaffen.”

Als Geschäftsführerin des IT-Unternehmens cekaso ist Fatime Cetinkaya seit vielen Jahren erfolgreich in einer von Männern dominierten Branche unterwegs. Ihr Fachgebiet ist die digitale Transformation im Möbelhandel. Zudem setzt sie sich für mehr Diversität und Frauen in Tech-Berufen ein. Fatime hat ihren Master of Science in Marketing und Distributionsmanagement absolviert und sich u.a. im Bertelsmann-Konzern schon früh mit dem Thema KI und Prozessmanagement beschäftigt. Sie ist u.a. Co-Vorsitzende der MINT-Kommission im Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) und wurde von den Wirtschaftsjunioren und dem SZ-Institut als „4×4 unter 40“ für Mut zu Technologie ausgezeichnet. Das Gespräch führte Martha Dudzinski. SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?” Fatime: „Ich hatte eine schöne Kindheit, obwohl ich sie nicht als leicht empfunden habe. Ich stamme aus einer klassischen Gastarbeiter:innenfamilie und bin als Baby mit meinen Eltern und Geschwistern eingewandert. Im Ruhrgebiet aufgewachsen, habe ich seit meinem 16. Lebensjahr neben Schule und Studium gearbeitet, um auf eigenen Beinen zu stehen. Für diesen Weg bin ich dankbar, weil er mich stark gemacht hat.” SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher gefördert oder unterschätzt gefühlt?” Fatime: „Ich wurde gefördert, soweit es unsere Mittel zugelassen haben. Meine Eltern haben immer den Fokus auf unsere Bildung gesetzt. Sie haben mich ermutigt, Klassensprecherin zu werden. Diese Position habe ich die gesamte Schulzeit innegehabt, auch Schulsprecherin oder Jahrgangssprecherin. Ich habe mich immer ehrenamtlich engagiert und erinnere mich daran, wie mein Vater mich um 22 Uhr abholen musste, weil ich an Schulkonferenzen teilgenommen habe. Später im Berufsleben hat sich das gedreht und ich habe mich eher unterschätzt gefühlt. Mir wurde suggeriert, dass ich “nur” eine kleine Frau unter Männern bin. Umso mehr habe ich Begegnungen mit sowohl weiblichen als auch männlichen Entscheider:innen geschätzt, die mich bewusst unterstützt haben.” SWANS. „Auf welche gemeisterte(n) Hürde(n) bist du besonders stolz?” Fatime: „Nach Abitur, Bachelor- und Masterstudium bin ich im Bertelsmann-Konzern eingestiegen. Hier habe ich schon früh internationale POS-Kampagnen mit Hilfe künstlicher Intelligenz umgesetzt. Durch die Akquise von Neukund:innen und die Erweiterung des Leistungsspektrums konnte ich viele Erfolge feiern. Auch mein Team hat sich in kürzester Zeit vergrößert. In Meetings auf Führungsebene war ich die einzige Frau. Schließlich wagte ich den Sprung ins Unternehmertum. Davor hatten meine Eltern immer Angst und wollten lieber, dass ich eine Karriere in bestehenden Unternehmen mache. Den Mut dazu musste ich also selbst aufbringen. Ein Schritt, auf den ich sehr stolz bin. Mein eigener Online-Shop Mein Wunderzimmer schaffte es mit 4.000 Produkten als Partner in die Pampers-App. Innerhalb weniger Monate konnten wir über 40.000 Follower auf Social Media aufbauen und viele Kund:innen für uns gewinnen. Doch durch Lieferengpässe und fehlende Liquidität musste ich Insolvenz anmelden und wieder ganz von vorne anfangen – eine sehr schmerzliche Erfahrung, die mich auch persönlich an meine Grenzen gebracht hat. Heute weiß ich, dass ich mir Fehler zunächst selbst verzeihen muss, um erfolgreich zu sein. SWANS. „Gibt es Erfahrungen mit Sexismus und/oder Rassismus bzw. Ausgrenzung, die dich besonders geprägt haben oder dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?” Fatime: „Tatsächlich ist es besonders schmerzlich, wenn mir Sätze wie “da, wo du herkommst” von Mitmenschen entgegengebracht werden, von denen ich dachte, wir wären Gleichgesinnte und Unternehmerinnen auf Augenhöhe. So ist es mir auf einer großen Netzwerkveranstaltung in Berlin gegangen. Das hat mich in dem Moment eiskalt erwischt. Es passiert immer wieder, dass mir aufgrund meiner türkischen Wurzeln Dinge unterstellt werden, oder andere Menschen meinen, sie wüssten deshalb, wie ich denke und fühle. Das ist eine Form von Alltagsrassismus, für den ich mir ein dickeres Fell zulegen musste. Solche Erfahrungen bleiben einem leider immer im Gedächtnis.” SWANS. „Wie stehst du zu Quoten?” Fatime: „Ich glaube das Beste, was wir als Unternehmerinnen tun können, ist, in unserer jeweiligen Branche Marktführerin zu werden, erfolgreich zu sein und uns durch nichts aufhalten zu lassen. Dann sind wir die besten Vorbilder und dann kommt auch niemand mehr an uns vorbei, wenn es um die Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten geht! Politische Rahmenbedingungen und Quoten können zwar ein probates Mittel sein, um Veränderungen in den Vorstandsetagen und der Gesellschaft zu forcieren, sie haben aber immer einen bitteren Beigeschmack. Ich glaube fest daran, dass wir Frauen unseres eigenen Glückes Schmied sind.” SWANS: „Viele unserer Schwäne müssen schon in ihrer Kindheit und Jugend viel Verantwortung übernehmen, etwa bei Elternsprechtagen, Behördengängen und Dokumenten – wie war das bei dir?” Fatime: „Ähnlich. Auch ich musste viele Übersetzungsarbeiten für meine Eltern machen. Das kann ich absolut bestätigen und hat sicherlich dafür gesorgt, dass ich sehr früh sehr selbstständig war und keinerlei Angst davor hatte, mit 19 Jahren für das Studium in eine eigene Wohnung zu ziehen.” SWANS: „Du hast fünf verschiedene Unternehmen gegründet, von Postern über Kinderprodukte bis hin zu digitalen Lösungen für Möbelgeschäfte – woher ziehst du die Kraft und die Kreativität für deine verschiedenen unternehmerischen Aktivitäten?” Fatime: „Ganz ehrlich: Die besten Ideen kommen mir nicht bei der Arbeit, sondern ganz häufig durch eigene Erfahrungen im Alltag. Ich bin als Geschäftsführerin und Mutter von zwei Kindern häufig unterwegs und stelle in vielen Situationen fest, wie kompliziert, schwierig und zeitaufwendig ganz banale Dinge sind: beim Einkaufen, bei Behördengängen, bei Freizeitaktivitäten, im Baumarkt, irgendwo in der Schlange stehen etc. Dann denke ich immer, das muss doch auch einfacher gehen und spreche mit meinem Mann Engin darüber. Er ist Experte für Prozessautomatisierung und künstliche Intelligenz. Und dann entwickeln wir gemeinsam Ideen und Lösungen. Heute bin ich Gesellschafterin in mehreren Unternehmen, Inhaberin der CETINKAYA Group und Geschäftsführerin des IT-Unternehmens cekaso. Wir beraten Unternehmen insbesondere im produzierenden Gewerbe und im Möbelhandel bei der Modernisierung ihrer Unternehmensprozesse. Dazu entwickeln wir entsprechende Softwarelösungen. Mithilfe von Selbstbedienungsterminals, digitalen Preisschildern, neuen Programmen, smarten Uhren für Verkäufer, Mobile-Shopping oder SaaS-Lösungen revolutionieren wir den Mittelstand und das Leben vieler Menschen: Das macht so großen Spaß, dass mir bei der Umsetzung und durch das Feedback unserer Kunde wieder neue Ideen kommen.” SWANS: „Welchen Ratschlag würdest du unseren „Schwänen“ (die Frauen, die wir fördern) mitgeben?” Fatime: „
Sucht euch Mentor:innen, von denen ihr lernen könnt. Für jeden Bereich, der euch wichtig ist, gibt es Expert:innen. Ich habe viel zu lange damit

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Awa Said: „Ich war Klassenbeste, aber das zählte nicht.”

Awa ist Account Director bei LinkedIn und berät Unternehmen, wie sie ihre Recruitingstrategien digitaler und diverser gestalten sowie ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen können. Zudem engagiert sie sich in Beschäftigten-Initiativen (ERG) und im Social Impact Team bei LinkedIn. Dort betreut sie ein Pilotprojekt, bei dem benachteiligte Menschen gefördert werden. Wichtig ist ihr ein intersektionale Ansatz, der berücksichtigt, wenn Menschen aufgrund mehrerer Diskriminierungsfaktoren gleichzeitig benachteiligt werden. SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?” Awa: „Ich bin in den 80ern größtenteils in einem sogenannten Arbeiter:innenviertel in Kiel-Gaarden aufgewachsen. Die Zeit hat mich sehr geformt, weil wir die erste größere Generation an migrantisierten Kindern waren, die ihren Weg finden mussten. Hip Hop war hier ein gemeinsamer Nenner und eine Art Ventil. Ich habe z.B. Breakdance getanzt. Trotz aller Gemeinsamkeiten gab es damals sehr wenige Afrodeutsche, was dann natürlich noch einmal etwas Besonderes war. Wir hatten aber viele afrikanische Student:innen, so wie mein Vater auch, die sich in Vereinen organisiert hatten. Darüber hinaus hatte ich auch das Glück, bereits mit acht Jahren in die zweite Heimat fliegen zu können, was sehr guttat.” SWANS: „Wie verlief dein beruflicher Werdegang?” Awa: „Ich bin nach meinem Abitur nach Frankreich gegangen und habe mein Grundstudium in angewandten Fremdsprachen und Betriebswirtschaft absolviert. Das war noch alles vor dem Bolognaprozess und ich habe meine Credits an einer Uni in Großbritannien anrechnen lassen, um nach einem Jahr meinen Bachelor zu erhalten. Im Anschluss habe ich dort auch meinen Master in Wirtschaftsrecht angefangen und mit einem Postgraduate Diploma abgeschlossen. Mein Studium und Aufenthalt waren selbstfinanziert und ich hatte viele Nebenjobs. Fun Fact: Ich trug damals noch kein Kopftuch und hatte sogar Modeljobs. Nach meinem Abschluss wollte ich die Familie in Guinea besuchen und dachte mir, dass das eventuell viele Fragen aufwerfen könnte, wenn ich ohne Plan dastehe. Unter anderem aus diesem Grund habe ich mich um ein Praktikum im Account Management bei einer Airline beworben, das ich nach meiner Rückkehr anfangen konnte. Aus dem Praktikum sind dann 15 Jahre in verschiedenen Positionen geworden, mit drei Unterbrechungen, in welchen meine Kinder zur Welt kamen. Parallel habe ich den Ausgleich in diversen Nebentätigkeiten gesucht, wie ein eigenes kleines Modest Fashion Label. Während Corona lag dann alles still und vor allem der corporate Travel Sektor, in dem ich tätig war, kam zum Erliegen. Ich habe die Zeit genutzt, um mich umzuorientieren, und u.a. ein Coding Bootcamp besucht. In diesem Zuge habe ich mich mit der Digitalisierung ausgesetzt. So bin ich als Account Direktorin bei LinkedIn gelandet und helfe Unternehmen, ihre Employer Branding Strategie, Talent Acquisition sowie Management zu digitalisieren. Momentan tut sich sehr viel auf dem Arbeitsmarkt und es ist spannend, an solchen Themen mitzuwirken.” SWANS: „Du hast in UK studiert und ausschließlich in internationalen Unternehmen gearbeitet – inwiefern unterscheiden sich dort deiner Erfahrung nach Haltung, Diskurse und Umgang mit den Kopftuch zu denen in Deutschland?” Awa: „Mein Umzug nach Großbritannien war diesbezüglich ein Game Changer, ebenso wie die Erfahrung, für ein angelsächsische Unternehmen zu arbeiten, in welchem Equity und Belonging großgeschrieben werden. Wie bereits erwähnt, habe ich einige Jahre in Frankreich verbracht und erst in Großbritannien erleben dürfen, was Repräsentation auch im beruflichen Kontext ausmachen kann. Dort habe ich Hijabis als Bankangestellte oder Polizisten mit Sikh-Turbanen gesehen, das komplette Gegenteil zu Frankreich, wo der Umgang mit Diversität noch einmal ein ganz anderer ist, oder auch hier zu einem gewissen Ausmaß. Das musste ich leider auch bei meinem ehemaligen Arbeitgeber erleben, wo mir aufgrund meines Kopftuches untersagt wurde, Kundenbesuche zu machen oder in die Zentrale zu fahren. Gleichzeitig schreibt man sich hier neuerdings Diversität groß auf die Fahne und ich denke, das ist exemplarisch für die Situation in Deutschland. Es besteht die Tendenz, sich vorrangig und höchstens um Gender Diversity nach außen zu bemühen und weder intersektional zu denken, noch sich mit den inneren Strukturen auseinanderzusetzen. Deswegen tut es gut, wenn man sieht, dass gewisse Werte und Lebensweisen eben nicht unvereinbar sind, auch wenn es hier im öffentlichen Diskurs häufig polemisiert und anders dargestellt wird. Naika Fouroutan oder Aladin El Mafaalani beschreiben es diesbezüglich sehr gut, dass sich bestimmte Konflikte und Konfliktlinien erst auftun, weil wir eben „integriert“ sind.” SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher unterschätzt gefühlt oder wurdest du wertgeschätzt? Awa: „Definitiv eher unterschätzt, das habe ich sehr früh gemerkt. Ich erinnere mich zum Beispiel noch genau, wie unsere Grundschulklasse geteilt wurde und alle, die nur irgendetwas Migrantisches hatten, unabhängig von der Leistung in eine Art Förderunterricht gesteckt wurden. Ich war damals schon Klassenbeste, das zählte trotzdem nicht, weil der andere Faktor eben ausschlaggebend war. Es gab immer Momente, in denen wir betroffenen Kinder gewisse Situationen genau wahrgenommen und die Regeln verstanden haben – allerdings alle für sich, weil uns die Worte dafür fehlten oder sie es teilweise noch nicht gab. Ich glaube, dass viele dieses Gefühl nachempfinden können, dass ein bestimmter Platz, der von der Gesellschaft eben nicht wertgeschätzt wird, für einen selber vorgesehen ist, und es einfach nicht ins Bild passt oder gewünscht ist, sich außerhalb dessen zu bewegen. So werden auch regelmäßig meine guten Deutschkenntnisse bewundert und gefragt, wie lange ich in Deutschland sei. Ich möchte allerdings ganz klar betonen, dass diese Bewertung nach klassistischen Kriterien erfolgt und wir als Gesellschaft auch hinterfragen sollen, was bzw. wen wir wertschätzen und vor allem warum.” SWANS: „Auf welche Hürden, die du gemeistert hast, bist du besonders stolz?” Awa: „Stolz würde ich vielleicht nicht unbedingt sagen. Ich weiß, dass mein beruflicher Erfolg auf sehr viel Eigenleistung beruht, da ich in meinem Werdegang häufig mehr beweisen musste als ein Jan oder eine Lisa. Auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass es auch Glück ist, den vorgegebenen Strukturen zu entkommen, wofür ich dankbar bin. Ich möchte das erwähnen, weil ich mich nicht mit dem Narrativ anfreunden kann, dass man nur hart genug arbeiten muss, und man es dann schafft. Das Konzept einer Meritokratie oder einer Leistungsgesellschaft ist vielleicht wünschenswert, allerdings fehlt hier ganz klar die Anerkennung, welche Bedeutung Privilegien in diesem Zusammenhang haben. Es gibt nämlich leider viel zu viele, die hart gearbeitet

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Dubravka Maljevic: „Wir kamen nach Deutschland, weil wir mussten.”

Dubravka Maljevic leitet den Bereich Medizintechnik der BG-Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH und ist die einzige Frau im Vorstand des Fachverbands für Medizintechnik. Nach ihren ersten beruflichen Stationen im Bereich der Produktentwicklung hat sie sich auf die Medizintechnik im Krankenhaus spezialisiert. Sie sammelte zunächst umfangreiche Erfahrungen in verschiedenen Positionen als Krankenhausingenieurin und übernahm später die stellvertretende Leitung des Bereichs Medizintechnik bei den Asklepios Kliniken. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Medizintechnik und hat einen MBA in Health Business Administration. Das Gespräch führte Martha Dudzinski. SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher gefördert oder unterschätzt gefühlt?” Dubravka: „Ich habe in meinem Leben eine Mischung aus Momenten erlebt, in denen ich mich unterschätzt und gefördert gefühlt habe. Es gab Zeiten, in denen ich mich durch Vorurteile zurückgesetzt gefühlt habe. Aber ich habe auch viele wunderbare Erfahrungen gemacht, in denen ich mich unterstützt und ermutigt gefühlt habe. Durch Entschlossenheit, Bildung und die Unterstützung von Menschen um mich herum konnte ich meine Fähigkeiten entfalten und meine Ziele erreichen. Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel man erreichen kann, wenn man an sich selbst glaubt und hart dafür arbeitet. Ich bin stolz darauf, dass ich die Herausforderungen überwunden und meinen eigenen Weg gegangen bin. Es ist wichtig, unsere eigenen Stärken zu erkennen und uns gegenseitig zu ermutigen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Hintergrund. Jeder hat das Recht auf gleiche Chancen und Anerkennung. Lasst uns eine Gesellschaft schaffen, in der Vielfalt geschätzt wird und in der jede Person die Möglichkeit hat, ihr volles Potential auszuschöpfen!” SWANS: „Auf welche gemeisterte(n) Hürde(n) bist du besonders stolz?” Dubravka: „Im Nachgang bin ich stolz auf das bisher Erreichte. Ich bin stolz darauf, dass ich eine gute kostenfreie Bildung genießen durfte und sowohl eine sehr gute Schul-, als auch eine sehr gute Berufsausbildung abschließen konnte. Es war eine wertvolle Erfahrung, die mir viele Möglichkeiten eröffnet hat und mein Wissen und meine Fähigkeiten erweitert hat. Ich bin dankbar für die Unterstützung, die ich auf meinem Bildungsweg erhalten habe, und stolz darauf, dass ich heute in der Lage bin, mein erlerntes Wissen in meinem Beruf einzusetzen und mein Potential auszuschöpfen. Bildung ist ein lebenslanger Prozess, und ich bin motiviert, weiterhin zu lernen und mich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln.” SWANS: „Gibt es Erfahrungen mit Sexismus und/oder Rassismus bzw. Ausgrenzung, die dich besonders geprägt haben oder dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?” Dubravka: „Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Um Rassismus bzw. Ausgrenzung zu erkennen, muss man erstmal wissen, was das ist. Artikel 3 des Grundgesetzes legt fest, dass kein Mensch aufgrund „seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauung“ und „seiner Behinderung“ benachteiligt werden darf. Nach dieser Definition kann es keinen Rassismus geben. Meine Eltern flüchteten in den 1990 Jahren nach Deutschland. Der Zerfall des Jugoslawiens und die darauf folgenden Kriege zwangen meine Eltern, das Land zu verlassen. Wir kamen nicht nach Deutschland, weil wir wollten – sondern weil wir mussten. Die ständige Bedrohung durch Gewalt, die Unsicherheit über die Zukunft zwang uns, alles Vertraute aufzugeben und mit einem einzigen Koffer nach Deutschland zu fliehen. Wir bekamen eine Duldung. Von dem Moment an war ich ein Flüchtling. Aber wir waren froh und dankbar dafür, nicht dauerhaft in Todesangst zu leben. Und diese Dankbarkeit legte sich über alles Andere, das wir erdulden, ertragen, über uns ergehen lassen mussten. Mit dieser Dankbarkeit war auch immer Hoffnung verbunden. Hoffnung, Gutes zu sehen und nach vorne zu schauen. Und so haben wir auch viele gute Seelen auf unserem Weg getroffen, gute Menschen, die uns halfen, unsere Stärken zu mobilisieren und Wege zu finden, um den Herausforderungen umzugehen.” SWANS: „Wie stehst du zu Quoten?” Dubravka: „Ich dachte früher, dass Quoten nicht notwendig sind. Ich war der Meinung, dass wir als Gesellschaft auf natürliche Weise auf eine gerechtere Vertretung von Menschen unterschiedlicher Hintergründe hinarbeiten können. Jedoch habe ich im Laufe der Zeit festgestellt, dass dieser Fortschritt leider oft zu langsam erfolgt. Es gibt immer noch Ungleichheiten und Barrieren, die es vielen talentierten Menschen erschweren, ihr volles Potential auszuschöpfen. In solchen Fällen kann eine Quote als Instrument dienen, um diesen Ungleichheiten entgegenzuwirken und positive Veränderungen zu beschleunigen. Eine Quote kann dazu beitragen, dass bestimmte Gruppen, die historisch benachteiligt oder unterrepräsentiert waren, bessere Chancen erhalten. Sie kann auch ein Signal senden und das Bewusstsein für die Bedeutung von Vielfalt und Inklusion schärfen. Aber eine Quote ist kein alleiniges Mittel zur Lösung der Probleme, sondern nur ein Teil des Gesamtbildes. Letztendlich sollten wir bestrebt sein, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Chancengleichheit herrscht und alle Menschen unabhängig von ihrem Hintergrund die Möglichkeit haben, ihre Talente zu entfalten. Wenn Quoten dabei helfen können, diesen Prozess zu beschleunigen und mehr Diversität zu fördern, können sie ein nützliches Werkzeug sein.” SWANS: „Viele unserer Schwäne müssen schon in ihrer Kindheit und Jugend viel Verantwortung übernehmen, etwa bei Elternsprechtagen, Behördengängen und Dokumenten – wie war das bei dir?” Dubravka: „Ja, bei mir war es ähnlich. Schon in meiner Kindheit und Jugend musste ich viele Verantwortlichkeiten übernehmen, wie zum Beispiel bei Elternsprechtagen, Behördengängen etc. Es war eine wertvolle Erfahrung, da ich dadurch früh gelernt habe, selbstständig zu agieren und Verantwortung für mein eigenes Leben zu übernehmen. Diese Erfahrungen haben mich geprägt und dabei geholfen, wichtige Fähigkeiten wie Organisation, Kommunikation und Selbstständigkeit zu entwickeln.” SWANS: „Du bist Ingenieurin und die einzige Frau im Vorstand des Fachverbands für Medizintechnik. Welche Lehren ziehst du aus deiner Karriere als Frau in einer Männerdomäne – bereust du es?” Dubravka: „Nein, ich bereue es definitiv nicht. Jedoch ist mir wichtig zu sagen, dass jede Person eine einzigartige Erfahrung hat und haben wird und individuelle Lehren aus ihrer eigenen Karriere ziehen wird. Es ist wichtig, trotz Hindernissen und Vorurteilen beharrlich zu bleiben. Meine Lehren sind: 1) Frauen in einer Männerdomäne können mit Widerständen konfrontiert sein, aber es ist entscheidend, den eigenen Wert und die eigenen Fähigkeiten anzuerkennen und daran festzuhalten. 2) Der Aufbau eines starken Netzwerks, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Männerdomäne, kann von großer Bedeutung sein. Kontakte zu knüpfen, Mentor:innen

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Florence Brokowski-Shekete: „Ich liebe es unterschätzt zu werden und die Menschen Lügen zu strafen.”

Florence ist Schulamtsdirektorin, Mitglied des Hochschulrates der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, Fachbereichsleitung Sekundarstufe I am Staatlichen Schulamt Mannheim und Mitglied des Expertengremiums des Deutschen Knigge Rat. Als Gründerin der Agentur FBS intercultural communication ist die Podcasterin und zweifache SPIEGEL-Bestsellerautorin zudem seit über 20 Jahren als freie Beraterin und Coach tätig in den Bereichen Kommunikation, Führungskräfteentwicklung und kultureller Sensibilisierung. Das Gespräch führte Martha Dudzinski. SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?” Florence: „Mit knapp zwei Jahren kam ich zu meiner deutschen Pflegemama. Ab dem Moment habe ich meine Kindheit als behütet und idyllisch in Erinnerung. Durch den Einfluss meiner leiblichen Eltern gab es jedoch immer einen Störfaktor, der wie ein drohendes Damoklesschwert über uns schwebte. Mit knapp neun Jahren gingen meine Eltern in ihre nigerianische Heimat zurück und nahmen mich mit. Ab dem Moment war meine Kindheit sehr betrübt.” SWANS: „Wie verlief dein beruflicher Werdegang?” Florence: „Mein eigentlicher Berufswunsch war Flugbegleiterin. Da meine Bleibeberechtigung in Deutschland jedoch von einem Abitur und einem Beruf abhing, bei dem ich keiner deutschen Person, so hieß es behördlich, einen Arbeitsplatz wegnehmen durfte, konnte ich meinen Traum nicht erfüllen. Da ich kirchlich aufgewachsen bin, beschloss ich, Religionspädagogik zu studieren. Durch ein Praktikum in einem Jugendzentrum, das ich nach dem Abitur absolvierte und für das Studium benötigte, lernte ich viele Hauptschüler:innen kennen, die sehr über die Schule klagten. In dem Moment beschloss ich, dass auch Hauptschüler:innen ein Recht auf motivierte Lehrkräfte hätten. So begann ich ein Studium für Grund- und Hauptschullehramt, mit Schwerpunkt Hauptschule. Nach dem Studium absolvierte ich mein Referendariat und arbeitete zwei Jahre an einer Grundschule. Damals war die Arbeitslosigkeit unter Lehrkräften groß. Nach zwei Jahren endete mein befristeter Vertrag. Ich machte aus der Not eine Tugend. Da ich es schon immer liebte, mit Sprache umzugehen, machte ich mich selbständig und arbeitete als Sprach- und Kommunikationstrainerin. Nach sechs Jahren habe ich dann zwar eine verbeamtete Stelle als Lehrerin angenommen, die Selbstständigkeit besteht jedoch bis heute. Nach weiteren vier Jahren wurde ich Schulleiterin. Seit 2013 arbeite ich in einem Staatlichen Schulamt und habe jetzt die Funktion der Schulamtsdirektorin inne. Mein zweites Standbein ist meine Tätigkeit als Autorin, Podcasterin und People Talk Host. Mein absoluter Traum wäre eine eigene Talkshow und die Übersetzung meiner Autobiografie ins Englische.” SWANS: „Inwiefern gab es in den 20 Jahren, in dem du im Bildungswesen des Landes Baden-Württemberg arbeitest, Veränderungen? Waren sie positiv?” Florence: „Die Schularten in Baden-Württemberg haben sich verändert. Die Hauptschule wurde zu einer Haupt- und Werkrealschule weiterentwickelt, viele Hauptschulen wurden geschlossen. Es erfolgte die Neueinführung der Gemeinschaftsschulen mit drei Niveaustufen. An den Realschulen kann nun auch der Hauptschulabschluss absolviert werden. Ebenso wurden neue Fächer eingeführt bzw. breiter aufgestellt. Veränderungen werden stets evaluiert und weiterentwickelt.” SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher unterschätzt gefühlt oder wurdest du wertgeschätzt?” Florence: „In meinen unterschiedlichen beruflichen Stationen musste ich mir den Respekt stets erstmal sehr erkämpfen. Das betraf Männer wie Frauen, Kolleg:innen wie Vorgesetzte. Die Wertschätzung erfolgte meist erst nach einer klaren Grenzziehung und Auseinandersetzung. Nur bei ein paar wenigen Menschen, auch hier ebenso Männer wie Frauen, Kolleg:innen wie Vorgesetzte, war das nicht notwendig. Das sind Menschen mit einer hohen Sozialkompetenz.” SWANS: „Auf welche Hürden, die du gemeistert hast, bist du besonders stolz?” Florence: „In meiner Jugend in Deutschland hat man mir nichts zugetraut. Auch lebte ich mit meiner weißen Mama in finanziell sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Schwarze Frau und alleinerziehenden Mutter bin ich wahnsinnig stolz darauf, dass ich meinem Sohn und mir ein finanziell und emotional gutes Leben bieten konnte. Ich bin sehr stolz auf meine beruflichen Erfolge. Dass ich einmal Autorin von zwei Spiegel Bestsellern sein werde, hätte ich nie gedacht. Ich liebe es, unterschätzt zu werden und die Menschen Lügen zu strafen.” SWANS: „Welche Maßnahmen sind deiner Meinung nach am besten dafür geeignet, um den deutschen Bildungsweg hürdenärmer zu gestalten?” Florence: „Ich selbst bin nach meinem dreieinhalbjährigem Aufenthalt in Nigeria mit einem denkbar schlechtem Bildungsniveau im Alter von zwölf Jahren zurück nach Deutschland gekommen. Hätte es in Niedersachsen die Orientierungsstufe mit den A, B und C Kursen in den Hauptfächern nicht gegeben, hätte ich die Schule nicht so erfolgreich geschafft, wie ich es habe. Wünschen würde ich mir ein durchgängiges Gantagsschulsystem von Klasse 1 – 12, bzw. 13. Alle Schüler:innen absolvieren nach der Klassenstufe 9 eine Prüfung, um ihren Leistungsstand zu evaluieren. Je nach Leistungsniveau und -vermögen verlassen die Schüler:innen die Schule oder streben, ebenfalls nach einer Prüfung, den mittleren Bildungsabschluss oder das Abitur an. Bildung gehört außerdem in die Schule und nicht an den Abendbrottisch der Familien. Ich würde mir wünschen, dass die Schüler:innen mit „gemachten Hausaufgaben“ nach Hause kämen und die Familien frei von schulischem Druck und somit entlastet wären.” SWANS: „Und welche sind weniger effektiv?” Florence: „Alles, was Druck erzeugt, ist nicht effektiv. Ebenso darf der Bildungserfolg nicht von dem sozialen Status der Familien abhängig sein.” SWANS: „Wie stehst du zu Quoten als Maßnahme, um gerechte Teilhabe zu fördern?” Florence: „Ich selbst wollte keine Quote sein, obwohl man mir bei Übernahme meiner Schulleitungstätigkeit gesagt hat, dass ich eine Quote wäre. Mir ist jedoch bewusst, dass es in manchen Bereichen ohne eine von außen diktierte Quote nicht geht und sich ohne diese nichts ändern würde. Das ist schade.” SWANS: „Neben deiner Tätigkeit als Schulamtsdirektorin bist du u.a. mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautorin, Podcasterin und Trainerin zu Antidiskriminierung. Was machst du, um auch mal zu verschnaufen und Energie zu tanken?” Florence: „Ich stehe jeden Morgen für zehn Minuten auf meinem Minitrampolin, genieße mein Zuhause mit einer traumhaften Dachterrasse und höre die Stille.” SWANS: „Was für einen Ratschlag oder Tipp würdest du unseren Schwänen mitgeben?” Florence: „Gebe niemals auf. Suche dir ehrliche Verbündete. Schaue nicht auf Position, Rang oder Status, sondern auf den Menschen, der vor dir steht. Achte darauf, wer dir Tipps gibt. Nicht jeder dieser Tipps ist wohlgemeint, sondern manchmal nur gemein. Sei ein Mensch, der gönnen kann und glaube an Karma.” SWANS: „Vielen Dank für das Gespräch!” Vorbilder

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Malika Mataeva: „In der IT zählt, was du im Kopf hast – nicht auf dem Kopf.”

Als einzige Frau verantwortet Malika zusammen mit fünf Männern die Sicherheit der österreichischen Wirtschaft. Als erste Frau in diesem Team gehört sie zum einen Prozent der Frauen im Sicherheitsbereich in Österreich. Sie nutzt diese Position, um als Rollenvorbild Mädchen und Frauen für die IT und den Technologiebereich zu motivieren. Vor ihrem Job im Cyber Operation Center bei WKO Inhouse GmbH der Wirtschaftskammer Österreich war sie Entwicklerin bei Bosch. Das Gespräch führte Martha Dudzinski. SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?” Malika: „Obwohl ich ein Kriegskind bin, habe ich viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Ich wuchs in einem Haus umgeben von der Liebe und Fürsorge der Eltern, mit drei Geschwistern und einer eigenen Bibliothek auf, in dem viel Wert auf Bildung gelegt wurde. In der Nachkriegszeit hatten wir jahrelang keinen Strom und deshalb auch kein Fernsehen – dafür haben wir viel miteinander gesprochen, gelesen und mit vielen anderen Kindern draußen gespielt. Meine Eltern, vor allem die Mutter, haben uns immer motiviert, uns Ziele zu setzen und sie zu erreichen. Meine Mutter hat uns auch beigebracht, sehr früh aktiv zu sein (Schultheater, alle möglichen ehrenamtlichen Aktivitäten), was uns geholfen hat, soziale Fähigkeiten zu entwickeln und keine Angst zu haben, unsere Komfortzone zu verlassen. Der Krieg hat sicherlich auch seine Spuren hinterlassen: Ich bin sehr früh erwachsen geworden – wie viele Kinder meiner Generation in Tschetschenien.” SWANS: „Wie verlief dein beruflicher Werdegang?” Malika: „Ich habe Informatik an der Universität Wien studiert. Während meines Studiums habe ich als Praktikantin bei Bosch angefangen und eine sehr anspruchsvolle Aufgabe bekommen: Software für den internen Einsatz von Grund auf zu implementieren. Das war sehr schwierig, aber dafür habe ich viel dabei gelernt. Danach bin ich zu Coredat Business Solutions gewechselt, wo ich zwar als Softwareentwicklerin angefangen habe, aber auch erste Erfahrungen im Security-Bereich sammeln konnte: Ich habe die Vorbereitung auf die ISO27001-Zertifizierung (internationaler Security-Standard) koordiniert. Drei Jahre später entschied ich mich, komplett in den Sicherheitsbereich zu wechseln – was ich auch gemacht habe, und bin nun Mitglied des Cyber Security Operation Center Teams bei WKO Inhouse der Wirtschaftskammern Österreichs, wo wir für die Sicherheit aller unserer Kammern und der Außenwirtschaft zuständig sind.” SWANS: „Wieso hast du dich für IT entschieden?” Malika: „Ich war schon immer von Filmen über Hacker fasziniert! (lacht) Aber eigentlich war es Zufall: Ich habe den ECDL-Kurs (Europäischer Computer Führerschein) absolviert, und als ich mich bei einer Beratungsstelle nach Weiterbildungsmöglichkeiten erkundigte, empfahl mir die Beraterin Informatik, weil sie meinte, ich kenne mich bereits mit Computern aus und damit habe ich schon Vorkenntnisse. Der ECDL hat nichts mit Informatik zu tun, aber oft glauben die Menschen das Gegenteil. Das war auf jeden Fall der erste Anstoß in Richtung Informatik. Als ich angefangen habe zu studieren, wurde mir klar, dass es genau das ist, wonach ich immer gesucht habe: eine große Herausforderung, ein sehr spannendes Gebiet, sehr intelligente Menschen. Und eine weitere wichtige Erfahrung: In der Informatik zählt, was man im Kopf hat und nicht, was man auf dem Kopf hat.” SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher unterschätzt gefühlt oder wurdest du wertgeschätzt?” Malika: „Ich selbst unterschätze mich immer wieder. Das Imposter-Syndrom ist mir leider sehr vertraut. Ansonsten haben mich Menschen, deren Meinung mir wichtig war und ist, immer wertgeschätzt, unterstützt und ermutigt.” SWANS: „Auf welche Hürden, die du überwunden hast, bist du besonders stolz? Malika: „Ich war 18 Jahre alt, als ich mit meinem Mann nach Österreich geflüchtet bin. Die Schule habe ich in Tschetschenien abgeschlossen und das in schwierigen (Nach-)Kriegszeiten, wo es einen großen Mangel an Lehrern und auch an Schulgebäuden gab, weil sie zerstört waren. All dies bildet keine gute Grundlage für die weitere Ausbildung. Ich bin unseren damaligen Lehrern sehr dankbar, die trotz schwieriger Zeiten und fehlender Mittel, manchmal sogar unentgeltlich, unterrichteten und dabei ihr Bestes gaben. In Österreich haben wir drei Jahre auf eine Aufenthaltsgenehmigung gewartet und in dieser Zeit haben wir selbst mit Büchern Deutsch gelernt. Danach kam Karenzzeit, deswegen konnte ich mit dem Studium erst mit 25 anfangen, wo mein Kleiner mit dem Kindergarten angefangen hat. Zu dieser Zeit hatte ich drei Kinder. Wegen der schwachen Schulbasis und der fremden Sprache musste ich sehr viel lernen, damit ich mitkomme. Zum Beispiel Englisch fehlte mir fast komplett, weil ich nur in der Schule nur zwei Jahre Englisch gelernt hatte. Im IT-Bereich ist Englisch ist sehr wichtig, weil viele Quellen nicht übersetzt werden, zudem werden auch viele englische Begriffe verwendet. Mittlerweile verstehe ich bis zu 100%, besonders wenn es um IT-Thema geht, aber mir fehlt die sprachliche Praxis. Als Geflüchtete habe ich mir mein Leben in Österreich von Grund auf aufgebaut: Ich habe die Sprache gelernt, studiert, gearbeitet und das alles neben meiner Familie/Kinder gemacht – darauf bin ich stolz.” SWANS: „Was hältst du von Quoten als Maßnahme zur Förderung einer gerechten Teilhabe?” Malika: „Ich denke, dass Quotenstellen etwas unangenehm sind, weil andere dir oft weismachen wollen, dass du die Stelle unabhängig von deiner Kompetenz erhalten hast – was an sich nicht stimmen kann, besonders im IT-Bereich. Dennoch sind Quoten leider immer noch eine notwendige Maßnahme, um eine gerechte Beteiligung zu erreichen.” SWANS: „Unterscheiden sich Kopftuchdebatten in Österreich von denen in Deutschland?” Malika: „Die Diskussion um das Kopftuch wird in Österreich und Deutschland ähnlich geführt. Es wird oft von der „Unterdrückung“ der muslimischen Frauen und ihrer „Befreiung“ gesprochen, aber gleichzeitig werden muslimische Frauen durch diese Debatten und Gesetze eingeschränkt und diskriminiert. Die Situation hat sich verbessert, denn seit etwa einem Jahr wird in den Medien und den sozialen Netzwerken viel über Vielfalt gesprochen, und plötzlich ist Vielfalt wichtig und modern geworden. Es gibt Unternehmen, für die Vielfalt, Teilhabe und Inklusion auch ohne diese Marketingmaßnahme wichtig waren, aber jetzt gibt es mehr von ihnen. Es ist ähnlich wie bei Quotenstellen – besser als nichts. Ich hoffe, dass die Politik langsam das Stoffstück auf unseren Köpfen in Ruhe lässt und Frauen ohne Konsequenzen selbst entscheiden können, was und wie sie sich anziehen.” SWANS: „Welchen Rat oder Tipp hast du für unsere Schwäne?” Malika: „Glaube an dich selbst, sei mutig

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Zeynep Çetin: „Ihr müsst nicht alles alleine machen“

Die Berliner Rechtsanwältin Zeynep Çetin war maßgeblich daran beteiligt, dass muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch in Berlin Recht bekommen haben, an Schulen mit Kopftuch zu unterrichten.. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Sozial- und Antidiskriminierungsrecht. Lange hat sie neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ein staatlich gefördertes Antidiskriminierungsprojekt geleitet. Das Interview führte Martha Dudzinski. SWANS: „Wir würdest du deine Kindheit beschreiben?“ Zeynep: „Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Mein Vater war so genannter „Gastarbeiter“ im Kohlebergbau, unser Leben war sehr familiär, sehr religiös. Ich habe von klein auf Religion als etwas erlebt, das viel Kraft und Halt gibt. Sie hat meinen Eltern Halt gegeben, um sich in der Fremde einzufinden und prekäre Arbeitsverhältnisse zu ertragen. Mein Vater war ehrenamtlich engagiert beim Aufbau der ersten Gebetsräume, von Moscheen konnte damals noch keine Rede sein – auch, um Zugehörigkeit zu schaffen. Geschützte Räume, um über Sorgen und Probleme sprechen zu können und sich der Heimat näher fühlen zu können, die man zurückgelassen hat. Ihr wichtigstes Anliegen war, dass es ihren Kindern mal besser gehen soll als ihnen selbst.“ SWANS: „Wurdest du eher wertgeschätzt oder hast du dich unterschätzt gefühlt?“ Zeynep: „Von meiner Familie habe ich sehr viel Wertschätzung erfahren: Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, dann zieht sie das auch durch. Aber klar hat mir die Gesellschaft Steine in den Weg gelegt. Der Ehrgeiz war nicht einfach nur da, der hat sich entwickelt. Meine Grundschullehrerin hatte mir die Gymnasialempfehlung gegeben, mich aber gewarnt, dass es auf dem Gymnasium schwierig ist – sie meinte schulisch anspruchsvoll. Aber tatsächlich war es schwierig für mich, weil ich anders wahrgenommen wurde. Wenn ich Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hatte, dann wurde das direkt damit begründet, dass Deutsch nicht meine Erstsprache sei. Das war natürlich Quatsch, ich bin hier geboren und aufgewachsen und habe eher gebrochen Türkisch gesprochen als Deutsch. Aber in der Schule wurde mir gesagt, dass es daher kommen muss, dass zuhause zu wenig Deutsch gesprochen werde. Das wollte ich nicht annehmen – und deswegen habe ich diesen Ehrgeiz entwickelt – der Ehrgeiz, diesen Makel, anders zu sein, auszugleichen. Als ich dann einige Jahre später gefragt wurde, ob ich einem deutschen Kind ohne Migrationshintergrund Nachhilfe in Deutsch geben könnte, hat das meine Eltern sehr stolz gemacht, und mich rückblickend auch. Ich weiß sogar noch wie das Kind hieß: Markus. Ich hatte viele Freund:innen und Verwandte, die eben keine Gymnasialempfehlung erhalten haben – auch später im Jurastudium. Nachdem sie sich durchgebissen haben, sind einige an ihre alten Schulen zurückgegangen, um dort zu zeigen: Ihr habt mir das nicht zugetraut, aber ich habe es trotzdem geschafft.“ SWANS: „Auf welche Hürden, die du gemeistert hast, bist du besonders stolz?“ Zeynep: „Wenn man sich anschaut, welche Hürden dir gesellschaftlich in den Weg gelegt werden, bin ich sehr stolz darauf, dass ich als einziges Kind mit türkischem Migrationshintergrund in meinem Jahrgang das Abitur geschafft habe. Ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit war. Ich bin die erste in meiner Familie, die studiert hat und hatte auch kaum Berührungspunkte mit Akademiker:innen. Sich dann alleine durch den Studiendschungel zu kämpfen. Ich habe es während des Studiums sehr genossen, wenn ich anonyme Klausuren schreiben konnte, so dass meine Arbeiten statt Zeynep nur eine Prüfnummer stehen hatten – das hat mir viel Mut und Kraft gegeben. Ich habe auch erst im Studium angefangen, ein Kopftuch zu tragen. Meine Familie hatte mir nahegelegt, es mir gut zu überlegen, ob ich bereit bin für die unbequemen Fragen, die mich erwarten. Im Studium hatte ich dann das Selbstbewusstsein und habe mich bereit gefühlt. Dann wurde ich direkt in eine weitere Schublade gesteckt. Es war nicht schön, auf das Kopftuch reduziert zu werden. Auch hier war es gut, dass ich mich bei schriftlichen Prüfungen verstecken konnte. Wie oft wurde ich aufgerufen in der Vorlesung mit den Worten „Du mit dem Kopftuch!““ SWANS: „Wie stehst du zu Quoten als Maßnahme, um Diversität zu fördern?“ Zeynep: „Das hängt davon ab, wie Diversität verstanden wird. Wenn wir uns nur bei jedem Fototermin freuen, eine Person mit Behinderung oder Migrationshintergrund auf das Bild packen zu können, dann ist das ganz schön fatal. Ich finde es sehr schade, dass wir eine Frauenquote gebraucht haben, um die Schranken aufzuweichen, die strukturell Frauen diskriminieren. Offensichtlich brauchen wir Quoten als Übergangsmaßnahmen, weil Strukturen selbst nicht in der Lage sind, da Gerechtigkeit zu schaffen.“ SWANS: „Welche Diskriminierung erleben deine Mandant:innen?“ Zeynep: „Die meisten haben Probleme bei der Jobsuche. Sie merken schon im Gespräch, dass die Fragen sich immer wieder um das Kopftuch drehen. Aber im Nachhinein ist es schwer nachzuweisen, dass es daran lag. Das als Indizien vorzutragen, die eine Diskriminierung nahelegen, ist eine sehr ermüdende und leidvolle Erfahrung. Dazu die Erfahrung, vor Gericht nicht recht zu bekommen, weil das schlecht nachgewiesen werden kann und die Gerichte das nicht entsprechend bewerten. Manchmal kippt die Stimmung im Betrieb bei bestehenden Beschäftigungsverhältnissen, wenn sich Mandantinnen später dazu entscheiden, Kopftuch zu tragen. Es hat sich nichts geändert an der Qualifikation oder an der Qualität der Arbeit. Trotzdem sollen sie plötzlich im Backoffice arbeiten oder durch das Gebäude durch die Hintertür betreten. Sie wehren sich, wenn sie heraus geekelt oder gemobbt werden sollen, bis sie von sich aus gehen. Viele Sachen sind auch strafrechtlich relevant, zum Beispiel Beleidigungen.“ SWANS: „Hast du dich selbstständig gemacht, weil du anderswo nicht beruflich Fuß fassen konntest?“ Zeynep: „Ein Stück weit ja. Ich dachte nach meinem bestandenen Staatsexamen, mir würden alle Türen offen stehen. Tatsächlich habe ich schnell gemerkt, dass das Kopftuch ein großes Hindernis ist bei der Arbeitssuche. Gerade in Berlin kann das doch nicht sein! Deswegen habe ich mich zunächst ehrenamtlich engagiert in der Antidiskriminierungsberatung und im Empowerment. Auch wenn Recht haben und Recht bekommen zwei sehr unterschiedliche Dinge sind, so bringt es doch viel Kraft, die Rechte zu kennen, Wissen zu teilen und andere ermutigen zu können. Dennoch bleibt die Wahrheit: Das Antidiskriminierungsgesetz ist ein zahnloser Tiger. Es ist nicht zahnlos – es kann beißen, aber es tut nicht weh. Unternehmen zahlen lieber die Entschädigung, als jemanden doch einzustellen. So kam ich in den Bereich Antidiskriminierungsrecht, wir

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Deniz Kayadelen: “Ich setze mir immer klare Ziele”

Deniz Kayadelen ist Wirtschaftspsychologin, zertifizierte Coach, Speakerin und Autorin des Buches „Out of Comfort Zone“. Sie schwimmt seit 20 Jahren lange Strecken im Meer, hat den Ärmelkanal und den Nordkanal überquert und ist dreifache Weltmeisterin im Eisschwimmen. Das Interview führte Esra Elmaci. SWANS: Wie würdest du dich selbst beschreiben? Deniz: Multikulturell aufgewachsen und leidenschaftlich. Ich versuche das Leben in vollen Zügen zu leben und zu verstehen. Es ist mir wichtig, uns Menschen zu verstehen und wie wir ticken. Deswegen habe ich mich damals dazu entschieden, Psychologie zu studieren. Ich habe durch meine eigene Multikulturalität verstanden, dass viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte anders denken. Viele Konflikte, aber auch viele schöne Dinge entstehen durch unsere Unterschiede. Ich bin offen und habe viele Perspektiven und möchte das Leben entdecken. SWANS: Wo war es in deinem Leben besonders schwer? Deniz: Besonders schwer war für mich die Trennung meiner Eltern und daraufhin Deutschland im Alter von elf Jahren verlassen zu müssen. Wegen der Scheidung sind wir damals nach Istanbul gezogen. Da musste ich auf einmal mein Land und meine Muttersprache aufgeben, Freund:innen, Teile meiner Familie und auch mein Vater. Istanbul war ein Kulturschock für mich, ich habe mich alleine und einsam gefühlt. Es war echt eine schwierige Zeit – vor allem, mit all diesen Unterschieden umgehen zu müssen. SWANS: Und wo war es besonders einfach? Deniz: Mir fällt es besonders einfach, mich auf verschiedene Personen einstellen und mich anpassen zu können. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich damals diese Herausforderungen erlebt habe. Ich war beispielsweise eine längere Zeit in Johannesburg (Südafrika). Viele Menschen haben versucht, mir Angst einzujagen und mir gesagt, dort wäre es gefährlich. Ich habe jedoch bereits am ersten Tag innerhalb von zwei Stunden meine Nachbar:innen kennengelernt, konnte mir ein soziales Netzwerk aufbauen und anschließend auch die Covid-Pandemie mit diesen Menschen verbringen. Es war keine einfache Zeit während der Pandemie, aber es fiel mir besonders leicht, diese Beziehungen zu knüpfen. Ich denke, diese Stärke hat mit den Tatsachen zu tun, die mich in meinem Leben geprägt haben – und dazu gehört nun mal meine Multikulturalität. SWANS: Was treibt dich im Wasser und im Leben an? Deniz: Meine innere Stimme, etwas bewegen, teilen, aber auch etwas erleben zu wollen und die Tatsache, dass ich mich vom Leben inspirieren lasse. Was mich immer wieder reizt, ist es, immer wieder neugierig zu sein. In meinem Kopf schweben ständig die Fragen „Was kannst du noch machen, Deniz?“ und „Was kannst du noch erleben?“ Das gibt mir die Kraft, mich immer wieder hinzusetzen und die Dinge diszipliniert anzugehen und meine Ziele zu verfolgen. Ich setze mir immer wieder klare Ziele und Perspektiven, auf die ich hinarbeite. Der Reiz, ein Ziel zu haben und den damit verbundenen Weg zu gehen, treibt mich an. Sich selbst zu entdecken – auf diesem Weg warten immer wieder neue Überraschungen. SWANS: Was empfiehlst du aus deiner Erfahrung jungen Frauen für den Aufbau eines Netzwerks? Deniz: Fangt mit kleinen Schritten an und findet für euch selbst heraus, mit wem ihr euch explizit vernetzen wollt. Das empfinde ich als sehr wichtig. Legt los und recherchiert die Person. Als Schwimmerin habe ich in vielen Netzwerken Anschluss finden können. In Themenvereinigungen trifft man oftmals auf Gleichgesinnte – da sind die Barrieren wesentlich geringer. Wenn du dich gerne mit einer bestimmten Person vernetzen möchtest, dann trau dich, auf sie zuzugehen oder schreibe sie einfach mal an. Du hast nichts zu verlieren! Sogar wenn die angeschriebene Person darauf nicht reagieren sollte, hast du nichts verloren. SWANS: Hast du in deiner beruflichen oder sportlichen Laufbahn Rassismus und/oder Sexismus erfahren? Deniz: In meiner Jugend habe ich beim Schwimmen gemerkt, dass einige Menschen dort ein Problem mit der türkischen Kultur haben. Ich habe diese Kommentare aber ignoriert, mich nicht verunsichern lassen und einfach weitergemacht. Als Frau kriegst du immer wieder Kommentare oder unangenehme Komplimente. Es ist sehr wichtig, wie man damit umgeht. Ich habe ihnen keinen Raum gegeben und mich immer wieder auf meine Aufgaben und die Dinge fokussiert, die ich mache. Ich habe sehr stark darauf geachtet, die Aufmerksamkeit immer und immer wieder auf meine Arbeit und meine Leistung zu lenken, auch durch meine Persönlichkeit. Ich halte es für unheimlich wichtig, alles selbstbewusst anzugehen – deswegen habe ich mir das mit der Zeit angeeignet. Das Wichtigste ist, dass du an dich selbst glaubst. Wenn du das verinnerlicht hast, hat jeder Mensch auf der Welt Achtung vor dir. SWANS: Danke für das Gespräch! Vorbilder

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Endora Comer-Arldt: “Auf Veranstaltungen wurde ich oft für die Servicekraft gehalten”

Endora Comer-Arldt verantwortet die globale Personalkommunikation und das People Board Office des Wissenschafts- und Technologieunternehmens Merck. Davor führte sie den Aufbau der Wissenschafts- und Technologiekommunikation in der Markenkommunikation des Unternehmens. Vor ihrem Wechsel zu Merck verantwortete Endora die Kommunikation auf DACH-Ebene eines internationalen Media- und Marketing-Agentur-Netzwerks. Sie hält einen Doktortitel in Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste in Wien. Das Gespräch führte Esra Elmaci. SWANS: Wie würdest du dich selbst beschreiben? Endora: Mir sind Menschen und das gemeinsame Miteinander sehr wichtig, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen. Als vielseitige und aufgeschlossene Person war ich schon als Kind an Neuem interessiert. Ich möchte den Dingen auf den Grund gehen und verstehen, was Menschen antreibt, motiviert und warum sie sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Wenn man es genau nimmt, würde ich mich selbst als Beobachterin bezeichnen. Außerdem bin ich sehr anpassungsfähig und es ist mir wichtig, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. SWANS: Wer hat dich besonders stark unterstützt? Endora: Meine Familie, aber insbesondere mein Vater. Er hat mich stark geprägt. Mein Vater hat mir und meinen Geschwistern sehr früh vermittelt, wie wichtig Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl sind. Er hat uns immer gesagt, dass wir uns nicht klein machen sollen und dass wir alles schaffen können. Mit Ruhe und Geduld hat er mir zugehört und mich bei meinen Plänen unterstützt. Meine Mutter ist eine Kämpferin und eine mutige Frau. Sie hatte nie Angst, ihre Stimme zu erheben, wenn etwas aus ihrer Sicht nicht rechtens war. Sie hat mich als Frau mit der Haltung erzogen, dass ich stark bin und meinen eigenen Weg gehen und meine Ziele verfolgen kann und soll. Komme was wolle. Ich habe im Laufe meines Lebens häufig von Menschen zu hören bekommen, dass ich aufgrund meiner Herkunft und als Frau gewisse Dinge nicht schaffen werde oder nicht „reinpasse”. Ohne den Rückhalt meiner Familie wäre ich nicht erfolgreich gewesen. SWANS: Musstest du im Laufe deiner beruflichen Laufbahn Rassismus oder Sexismus erleben? Endora: Was ich häufiger erlebt habe, ist, dass ich als einzige Person mit Einwanderungsgeschichte oder Women of Color als Teilnehmerin einer Veranstaltung nach Kaffee gefragt, also als Servicekraft wahrgenommen wurde. Das war bereits auf Konferenzen während des Studiums so. Bei einer Business-Knigge Schulung wurde ich auf meine Haare angesprochen. Der Referent kommentierte vor allen Anwesenden, dass „mein krauses Haar“ zu „wild“ sei und ob man dagegen nichts tun könne. Als junge Frau, wurde ich nach Meetings mit Kunden öfter mal gefragt „Und, was machen wir beiden Hübschen heute noch?“. Solch ein Verhalten empfinde ich als äußerst unangenehm und macht mich wütend. Ich glaube vielen Menschen ist oftmals nicht bewusst, wie unreflektiert sie in ihren Aussagen sind. Stichwort Bias – hierzu kann ich aus einer Situation mit meinem Team berichten. Im Rahmen einer Kampagne ging es darum, eine Bildauswahl zu treffen. Im Laufe des Meetings sagte ein Kollege: „Oh Mann, jetzt müssen wir schauen, dass wir bei unserer Bildauswahl jede Diversity-Dimension abdecken!“ Das Team fing an zu diskutieren, dass sie das nicht als passend empfinden würden, da das gar nicht mit unserer „Realität“ übereinstimmt. Ich habe dem Team zugehört und im weiteren Verlauf darauf hingewiesen, dass sie aus ihrer persönlichen Lebensrealität heraus urteilen. In anderen Bereichen, Standorten, etc. ergeben sich unterschiedliche Wahrnehmungen und Auffassungen des Bildes, im Vergleich zu dem Umfeld, in dem sie wirken und sich bewegen. Zudem habe ich ihnen gesagt, dass es durchaus meiner Realität entspricht und es für mich einen Unterschied macht, wen ich in meinem Umfeld sehe und wen ich nicht sehe. In dieser Sekunde meinte der Kollegen sofort: „Verdammt, I’m biased“. Wir alle haben unsere Biases, unabhängig von Geschlecht, Bildung, Herkunft oder sonstigen Merkmalen. Jeder von uns befindet sich in seiner eigenen Bubble, die unbewusst von persönlichen Lebensumständen, Erfahrungen, Werten und dem eigenen Lebensbereich geprägt ist. In unserem täglichen Sein und Handeln gerät oft in Vergessenheit, dass diese Wahrnehmung unterbewusst oft voreingenommen ist. Aus diesem Grund ist und bleibt die Sensibilisierung für diese Themen wichtig für mich. SWANS: Danke für das Gespräch! Vorbilder

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Cemile Ciousouf: „Parteien und Gremien brauchen ein Verständnis für Diversität.“

Cemile Giousouf ist Vize-Präsidentin der Bundeszentrale für politische Bildung und war von 2013 bis 2017 die erste muslimische CDU-Abgeordnete im deutschen Bundestag. Sie hat Politikwissenschaften, Soziologie und Islamwissenschaften studiert und arbeitete vor ihrem Bundestagsmandat als Referentin im Integrations- und Frauenministerium von Nordrhein-Westfalen (NRW) zum Schwerpunktthema „Frauen mit Zuwanderungsgeschichte” und in der Integrationsabteilung des Arbeits- und Sozialministeriums von NRW. Das Interview führte Esra Elmaci. SWANS: Haben Sie das Gefühl, Sie wurden in Ihrem Leben eher gefördert oder unterschätzt? Giousouf: Glücklicherweise wurde ich gut gefördert. Sowohl in meiner Schulzeit, als auch im späteren Leben habe ich Menschen getroffen, die mich unterstützt und gefördert haben. Aber auch ich gehöre zu denen, die trotz sehr guter Noten zunächst keine Gymnasialempfehlung bekommen haben. Das hat meine Mutter damals durchgesetzt. SWANS: Wer waren Ihre Vorbilder? Von wem haben Sie viel gelernt und zu wem haben Sie aufgeschaut? Giousouf: Meine größten Vorbilder sind meine Eltern, die im Rahmen der Anwerbung sog. „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen sind – zuerst mein Vater, später im Rahmen der Familien-Zusammenführung meine Mutter und mein Bruder. Besonders das Durchhaltevermögen meiner Eltern war für mich sehr prägend. Sie haben es geschafft, mit wenigen Ressourcen und zunächst rudimentären Sprachkenntnissen in einem neuen Land Fuß zu fassen und ihren Kindern ein gutes Leben zu erarbeiten. Eine unglaubliche Leistung vieler dieser Menschen, die meines Erachtens zu wenig Anerkennung findet. Die Bildungsaspiration dieser Generation war sehr hoch. Die Ausbildung ihrer Kinder hatte absolute Priorität und ihre eigenen Wünsche wurden hinten angestellt. In meinem späteren Leben habe ich viele Politiker:innen getroffen, die mich sehr beeindruckt haben – insbesondere diejenigen, die sich für Themen und Menschen auch außerhalb ihrer eigenen Lebenswirklichkeit engagieren. SWANS: Wie wichtig ist Ihnen die Repräsentation und Teilhabe verschiedener Bevölkerungsschichten in der Politik? Giousouf: Wenn größere Bevölkerungsteile in den Parlamenten nicht vertreten sind oder (zum Teil auch deswegen) nicht einmal an Wahlen teilnehmen, haben wir ein Demokratiedefizit. Wenn Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Großstädten 40 bis 50 Prozent der Bewohner:innen ausmachen, aber in den entsprechenden Parlamenten nur ein marginaler Anteil einen Migrationshintergrund hat, fehlen hier wichtige Stimmen und Belange. Grundsätzlich sollten wichtige gesellschaftspolitische Themen auch ohne jeweilige Vertretung in den Parteien als Querschnittsthema mitgedacht werden. Parteien und Gremien brauchen daher ein Verständnis für Diversität, aber auch Wissen über Belange marginalisierter Gruppen. Das kann und darf aber nicht die diskriminierungsfreie Möglichkeit zur Partizipation für alle ersetzen. Politische Partizipation muss daher beidseitig verbessert werden: Die Parteien müssen sich öffnen und diejenigen, die Interesse haben, müssen offensiv auf diese Parteien zugehen. Das ist keine Einbahnstraße. SWANS: Welchen Tipp geben Sie Berufseinsteigerinnen in Sektoren, in denen sie in der Regel unterrepräsentiert sind? Giousouf: Netzwerken und gut vorbereiten! Das Wichtigste ist, viele, auch unterschiedliche Kontakte zu knüpfen und zu wissen, wen man für welches Anliegen ansprechen kann. Berufseinsteigerinnen können beispielsweise bei den Personalräten oder branchenspezifischen Gremien Anschluss finden. Es kann auch nicht schaden, die Führungsspitze des Betriebes zu kontaktieren und sich persönlich vorzustellen. Ich gehöre zu einer Generation, die sich da eher zurückgehalten hat. Die junge Generation ist viel selbstbewusster: Sie fordert offensiv ein, gehört zu werden. Das finde ich sehr gut und wichtig! SWANS: Wie stehen Sie zur Frauenquote? Giousouf: Ich denke, dass wir sie so lange brauchen, wie Frauen ausgegrenzt werden. Dass die Qualifikation und nicht das Geschlecht im Mittelpunkt stehen soll, teile ich. Dieses Argument spricht aber für und nicht gegen eine Quote, wenn qualifizierte Frauen offenkundig übervorteilt werden. Bei so mancher männlicher Besetzung auf der einen oder anderen Position kann wohl niemand ernsthaft behaupten, er habe diese seiner besseren Leistung zu verdanken. Solange das so ist, brauchen wir eine Quote. SWANS: Vielen Dank für das Gespräch! Vorbilder

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Natasha A. Kelly: „Ich war das einzige Schwarze Mädchen an meiner Schule.“

Natasha A. Kelly ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin mit den Forschungsschwerpunkten (Post-)Kolonialismus und Feminismus. Sie ist Autorin und Herausgeberin von sechs Büchern, Kuratorin und bildende Künstlerin. Ihre Kunstinstallationen wurden in verschiedenen Museen in Deutschland gezeigt, darunter im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Von 2012 bis 2017 war sie Hauptvertreterin der Europäischen Union im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen des Berliner Senats. Das Interview führte Esra Elmaci. SWANS: Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben? Kelly: Ich bin mit drei älteren Schwestern groß geworden. Sprich: Ich bin die Jüngste von vier. In der Kindheit waren meine älteren Schwestern sowohl meine besten Freundinnen, als auch meine großen Vorbilder. Ich war immer die Kleinste, die über ihre eigenen Füße gestolpert ist, als ich versuchte, hinter ihnen herzurennen. Ich erinnere mich, dass wir sehr viel zusammen gespielt haben; ich habe auch viel von ihnen gelernt. SWANS: Gab es eine besondere Person in Ihrem Leben, die einen starken Einfluss auf Sie hatte? Kelly: Definitiv meine Mutter. Sie hat mich das Überleben gelehrt. Ohne meine Mutter wäre ich heute nicht Dr. Natasha A. Kelly. SWANS: Wo war es besonders schwer für Sie? Kelly: Ich bin in einem kleinen Dorf in Norddeutschland groß geworden und war das einzige Schwarze Mädchen an meiner Schule. Als Jugendliche, ich war 13 oder 14, habe ich die emotionale Sicherheit, die mir meine Familie in der Kindheit mitgegeben hatte, verloren. Ich hatte das Problem, nicht dazuzugehören und habe mich selbst als Außenseiterin wahrgenommen. Dies war eine besonders schwere Zeit für mich. Obwohl ich mich eigentlich immer in Gruppen bewegt habe, war ich trotzdem alleine. Das ist eine der schlimmsten Formen der Einsamkeit und war ganz besonders schwer für mich. Dann habe ich die achte Klasse wiederholen müssen und ein Gefühl des Versagens empfunden. Wenn es danach ginge, hätten meine Lehrer:innen niemals erwartet, dass ich jemals einen Doktortitel bekomme. SWANS: Wie stehen Sie zur Frauenquote? Kelly: Die Frauenquote ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Aber die Frauenquote bevorzugt leider weiße Frauen, weil Gender eindimensional betrachtet wird und nicht intersektional. Wir müssen uns die Frage stellen, wie die Frauenquote für alle Frauen funktioniert. Da diese Frage nicht mit ‚gut‘ beantwortet werden kann, wird das Problem des Feminismus in diesem Land sichtbar: Race wird nicht mitgedacht, genauso wenig wie Religion, ethnische Herkunft etc. Daran muss gearbeitet werden. SWANS: Was prägt neben all dieser Arbeit Ihre künstlerische Ader? Kelly: Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich immer ein sehr extrovertierter Mensch war, aber gleichzeitig auch sehr verschlossen. Das ist ein Punkt, den viele Menschen um mich herum gar nicht richtig wahrnehmen: Ich bin unheimlich sensibel und musste immer sehr viel mit mir selbst ausmachen. Schon als Kind habe ich unheimlich viele Geschichten erzählt und Märchen gelesen. Das ist etwas, was ich mir bewahrt habe. Für mich ist Kunst eine Befreiung. Dadurch, dass die Wissenschaft so starr und undynamisch ist, habe ich in der Kunst meinen Ausgleich gefunden. Ich habe mich regelrecht in die Kunst verliebt. Und die Liebe ist für gewöhnlich eine Quelle der Kraft. SWANS: Danke für das Gespräch! Vorbilder

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